Mit einer traurigen Mitteilung begann die Lesung des Mannheimer Journalisten Joachim Hemmerle aus seinem Buch "Wenn Quadrate Kreise ziehen" in der Stadtbibliothek Vogelstang - eine Veranstaltung des Freundeskreises. Zwei Tage zuvor war der ehemalige Bürgermeister, Manfred David, verstorben. David habe nicht nur Wesentliches zum Gedeihen des Stadtteils Vogelstang beigetragen, sondern auch die dortige Stadtbibliothek, als diese auf der Kippe stand, durch Gründung des Fördervereins unterstützt, erklärte seine sichtlich bewegte Stellvertreterin, Dr. Claudia Braun.
David war nicht nur der Vorsitzende des Fördervereins, sondern hat auch die Veranstaltungsreihe der Stadtbibliothek ins Leben gerufen. Schließlich hat David Autor Hemmerle bei der Vorstellung seines neuen Buches im Karl-Friedrich-Gymnasium "mit dem Lasso eingefangen". Es sei deshalb in seinem Sinne, wenn diese Lesung an diesem Abend trotzdem stattfinde, meinte Braun.
Fast 35 Jahre lang war Joachim Hemmerle beim "Mannheimer Morgen" als Redakteur tätig, erst in der Lokalredaktion, dann im Kulturressort. Auf Drängen des Ludwigshafener Verlegerehepaares Kaiser hat er literarische, kulturelle und alltägliche Themen in einem spannenden und unterhaltsamen Buch zusammengefasst. Hemmerle entführte die etwas mehr als 40 Zuhörer in das Mannheim der Nachkriegszeit. Als Schüler mit der Rhein-Haardt-Bahn über die Behelfsbrücke von Ludwigshafen nach Mannheim fahrend knüpfte er erste Kontakte mit der Quadratestadt, die ihm im Laufe seines Berufslebens beim "MM" nicht nur ans Herz gewachsen ist, sondern auch manche Mühsal bereitete, wenn er nämlich Auswärtigen das Quadratesystem erklären musste.
Als Journalist begegnete Hemmerle zahlreichen Schriftstellern, Künstlern und Schauspielern, die er einfühlsam und mit feinem Gespür für deren Persönlichkeiten schilderte, wie beispielsweise Stefan Heym, Rudi Baerwind oder Elsbeth Janda. Auch unbekannte Bürger hat er treffend porträtiert. So etwa Ernst Kolb, den Mann mit der Plastiktüte, dem Hemmerle den Namen "Bürger Kolb" verlieh und damit zu einer Persönlichkeit machte. Die von Hemmerle in charmantem Plauderton, mit viel Humor und Freude am Mitteilen vorgetragenen Histörchen und Geschichten sind eine unerschöpfliche Quelle für jeden geschichtsbewussten Mannheimer.
Kenner der jiddischen Kultur
Außerdem gab der Autor einen Einblick in sein Privatleben. Bei der Schilderung der Zeit, als es Mannheim noch nicht gab, als hier noch Rhein und Themse zusammenflossen, ließ er seine Vorliebe für die englische Kultur durchblitzen. Die Begegnung mit Elsbeth Janda, der Grande Dame der Kurpfalz, die das jiddische Liedgut pflegte, war für den Liebhaber der jiddischen Kultur eine Bereicherung.
Begleitet wurde Hemmerle von seiner langjährigen "MM"-Kollegin Waltraud Kirsch-Mayer. Sie war nicht nur "Stichwortgeberin", sondern gab auch den ebenbürtigen Part beim humorvollen Dialog über das Wesen und Unwesen des Journalismus. Das Publikum lachte herzlich. Ein kurzweiliger Abend, wie er sicherlich auch ganz nach dem Geschmack von Manfred David gewesen wäre.
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