Unter der Überschrift „Ankommen-Einleben-Durchstarten“ diskutierten die Besucher auf Einladung des SPD-Landtagsabgeordneten, Stefan Fulst-Blei Bedingungen für einen erfolgreichen Aufstieg in Deutschland. Mehrsprachigkeit sei in jedem Fall ein Vorteil, waren sich die Teilnehmer einig. In vielen Migrantenfamilien werde dies aber nicht genutzt, bemängelte Erziehungswissenschaftlerin Havva Engin.
Dabei exisitiere nachweislich ein enger Zusammenhang zwischen Bildungserfolg und Elternhaus, wie die Professorin an der Pädagogischen Hochschule Heidelberg betonte. Familiäre Unterstützung bedinge eben den Lernerfolg. Die Sprache sei ein bedeutender Schlüssel. Sie habe die wichtigsten Migrantengruppen untersucht. Russlanddeutsche und Kroaten schnitten beim Bildungserfolg am besten ab.
Geringer Wortschatz
„Vor allem in der russischen Community setzt man auf akademisches Ehrenamt in Vereinen, um den Lernerfolg zu unterstützen“, berichtete sie. Bei den türkischen Familien gebe es das weniger. In der dritten Generation verfügten diese auch meist nur über einen geringen türkischen Wortschatz. „Die Großeltern können sich nicht mehr mit ihren Enkeln unterhalten“, so Engin, die selbst über türkische Wurzeln hat.
Auch seine Familie sei zu Beginn des 20. Jahrhunderts damals ins Ruhrgebiet auf der Suche nach Arbeit eingewandert, berichtete Fulst-Blei: „Aber schon meine Mutter konnte kein Tschechisch mehr.“ Gastarbeitersprachen hätten eben kein Standing, „weil sie keinen wirtschaftlichen Vorteil bringen“, kritisierte Havva Engin. Bundesweit gebe es nur an einer Uni die Möglichkeit Türkisch auf Lehramt zu studieren. „Das sind dann aber 35 Studenten im Jahr“, rechnete sie vor.
Sowohl Stefan Fulst-Blei als auch Havva Engin setzen sich für herkunftssprachlichen Unterricht an Schulen ein, „weil wir uns eine nachhaltige Verbesserung von Schulleistungen davon versprechen“. Vor allem sei der Wille zu lernen aber entscheidend, meinte Alena Vogel. Sie sei damals mit 15 Jahren nach Deutschland gekommen. „Mein Deutsch war katastrophal“, erinnerte sie sich. Trotzdem habe sie ihren Eltern bei den Anträgen helfen müssen. In der ersten Zeit sei es sehr schwer gewesen, wie die Rechtsanwältin und Vorsitzende des Businessnetzwerk russischsprachiger Unternehmer erzählte.
Auch Betriebswirtin Lia Lies musste sich durchbeißen. Mit 22 Jahren hatte sie ihr Studium in München begonnen. „In meiner Schulzeit in Moskau hatte ich drei Jahre Deutsch.“ Die Vorlesungen verfolgte sie stets mit Hilfe eines Diktiergeräts. Sie habe viele Stunden in der Bibliothek verbracht und eben doppelt so viel gelernt wie die anderen Studenten. „Nur so konnte ich die Klausuren bestehen.“
Das Interkulturelle empfinde Lies heute als Vorteil, meinte die Betriebswirtin, die mit einem Russlanddeutschen verheiratet ist. Es sei ihr wichtig, dass die Kinder beide Sprachen sprechen. Tatjana Sievers kam als Kind mit ihren Eltern aus Slowenien. „Bei uns wurde darauf geachtet, dass wir Slowenisch und Deutsch sprechen, weil meine Eltern immer davon ausgegangen sind, dass die Familie irgendwann nach Slowenien zurückkehrt“, wie die zweite Vorsitzende der SPD Vogelstang erzählte. „Auch meine Eltern haben mich so erzogen, dass es wichtig ist Italienisch zu sprechen, noch wichtiger aber die deutsche Sprache zu beherrschen“, bemerkte Giuseppe Randisi von der SPD Seckenheim.
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