Mannheim. Warum hat der SV 98/07 Seckenheim, der in diesem Jahr seinen 125. Geburtstag feiert, eine Vereinsfahne mit farblich unterschiedlichen Seiten? Weil 1970 Fußballer und Turner eine jahrzehntelange Trennung überwanden und die 1898 gegründete Fußballvereinigung mit dem aus der Freien Turnerschaft hervorgegangenen SV 07 Seckenheim fusionierte.
Sozusagen als salomonisches Urteil ist seither die eine Seite des Banners blau-weiß (FVgg 1898), die andere rot-schwarz (SV 07). „Zweifarbig“ sind auch die Trikots. Die Fußballteams – lange das Herzstück des Clubs – treten in blauweiß an, in der Leichtathletik-Abteilung wird schwarz-rot getragen. „Auch wenn die Leichtathletik leistungssportlich in Vordergrund rückt, sind wir ein Verein für die Breite“, betont Ehrenmitglied Wilfried Pfliegensdörfer, der 1956 in den SV 07 eintrat, nach seiner aktiven Zeit die Turnabteilung leitete, zehn Jahre stellvertretender Vorsitzender war und erst vor wenigen Wochen ins zweite Glied rückte.
750 Mitglieder im Verein
„Wir sind ein starkes Stück Seckenheim“, erläutert er den gleichlautenden Slogan des Clubs. „Wir haben 750 Mitglieder vom Baby bis ins hohe Alter. Sie halten uns die Treue, weil wir so viele Bedürfnisse bedienen können“, verweist er auf die zehn Abteilungen Badminton, Basketball, Fußball, Fußballtennis, Hip-Hop, Kickboxen, Leichtathletik, Turnen/Gymnastik, Gesundheitssport und Yoga. „Wir sind eine große Familie mit tollem Zusammengehörigkeitsgefühl, wir kümmern uns intensiv um die Jugend, aber auch um die Älteren. Gerade haben wir eine hundertjährige Seniorin gefeiert“, ist er stolz auf das soziale Gefüge.
Pfliegensdörfer kennt zudem die Geschichte seines Vereins, in der das Bauen von Beginn an eine große Rolle spielte. Mit der Wende zum 20. Jahrhundert gab es in Seckenheim vier Vereine. Beim TB 1899 Jahn fand die katholische Bevölkerung eine Heimat, im Jahr zuvor war der TV 1898 gegründet worden. Schon 1895 jagte eine lose Vereinigung dem Fußball nach, die sich ab 1898 Fußballgesellschaft nannte. 1919, nach der Fusion mit dem FC Badenia 1914, wurde daraus die Fußballvereinigung (FVgg).
Animiert durch die Turnbewegung von 1848, noch mehr aber durch die Bildung des Arbeiter-Turnbundes (1893) zog ab 1907 die Freie Turnerschaft (FT) die Arbeiterschaft an sich. 1893 waren erste Versuche einer neuen Vereinsgründung noch gescheitert. Mit wachsendem Zuspruch fehlte dem Club ein Domizil für die Abteilungen Turnen, Fußball, Handball und Spielmannszug. Abhilfe schufen die vielen Arbeitslosen nach dem Ersten Weltkrieg. „Die haben 1924 innerhalb von zehn Monaten das Haus in der Zähringer Straße gebaut, versorgt wurden sie von den Frauen“, berichtet Pfliegensdörfer.
1933 wurde die Freie Turnerschaft verboten, das Haus beschlagnahmt. Viele gute FT-Fußballer wechselten zur FVgg, die dadurch einen sportlichen Höhenflug erlebte und auf Augenhöhe mit dem VfR Mannheim und dem SV Waldhof kickte. Doch der Zweite Weltkrieg riss tiefe Lücken. Die Freie Turnerschaft traf sich erstmals 1946 wieder, aus Gründen der neuen politischen, wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse benannte sie sich 1951 in SV 07 Seckenheim um. Und obwohl das Vereinshaus teilweise demoliert war, obwohl Sportgeräte fehlten, wurden die alten Abteilungen wiederbelebt. Regelmäßig gab es Bestrebungen, mit anderen Seckenheimer Vereinen zusammenzugehen.
Kleine Fusion im Jahr 1970
1970 kam eine schon 1919 von Gustav Merklein angedachte Vierer-Fusion zwischen TV, SV, FVgg und TB Jahn zwar nicht zustande, wohl aber verwirklichte Otto Bauder, seit 1961 erster Vorsitzender des SV, eine kleinere Fusion. Aus der FVgg und dem SV wurde der SV 98/07 Seckenheim. Einige Male wurden die neun Jahre auseinander liegenden Geburtstage noch getrennt gefeiert, doch das ist kein Thema mehr. „Wir haben uns gut behauptet und gezeigt, dass auch ein mittelgroßer Verein in der heutigen Zeit überleben kann“, sagt Pfliegensdörfer.
Davon zeugen zahlreiche Renovierungen (Gymnastikraum, Sporthalle, Umkleiden, Sanitäranlagen, Fenster, Treppenhäuser, Dächer, neuer Anstrich, Außenanlagen) auf dem Gelände an der Zähringer Straße. Die Gesamtkosten betrugen 2,5 Millionen, davon 1,5 Millionen als Zuschüsse. Die Otto-Bauder-Anlage wurde aufgegeben, dafür die Bezirkssportanlage übernommen und komplett renoviert.
Die Einweihung am Samstag, 17. Juni, ab 10 Uhr, findet als öffentlicher Sporttag 2023 des SV 98/07 Seckenheim auf der Bezirkssportanlage statt. Es gibt zahlreiche Mitmachangebote der neun Abteilungen. Neben einem bunten Programm wird ebenfalls die neu sanierte Sportanlage gebührend eingeweiht. Die eigentliche Jubiläumsfeier findet erst am Samstag, 21. Oktober, statt.
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