Klimawandel

Was die Körpersprache der Bäume in Mannheim-Seckenheim verrät

Hitze und Trockenheit hinterlassen auch bei den Bäumen auf dem Friedhof im Mannheimer Stadtteil Seckenheim Spuren. Ein Experte erklärt, wie die Körpersprache der Bäume zu verstehen ist

Von 
Hartwig Trinkaus
Lesedauer: 
Tobias Schüpferling und Marianne Seitz (v.r.) beim Rundgang. © Hartwig Trinkaus

Newsletter "Guten Morgen Mannheim!" - kostenlos registrieren

Mannheim. Mit heimischen Baumarten, die neu gepflanzt werden, will die Stadtverwaltung gegen die Folgen des Klimawandels beim Baumbestand auf den Friedhöfen vorgehen. Das erfuhren bei einem „Baumrundgang“ rund 30 Teilnehmer. Auf Einladung der CDU vermittelte Tobias Schüpferling ebenso engagiert wie intensiv, wie sein Team sich um den Baumbestand auf den elf Mannheimer Friedhöfen kümmert.

Stadträtin Marianne Seitz begrüßte zusammen mit den Bezirksbeiräten Sabine Brenner und Edwin Schweizer etliche wissbegierige Bürgerinnen und Bürger, die mit viel Aufmerksamkeit den Ausführungen des Agrarfachwirts folgten. Schüpferling ist zuständig rund 10 000 Bäume der Friedhofsbetriebe, also auch jener 238 auf dem Seckenheimer Gottesacker.

Jeder Baum hat eine Nummer und ist in einem Baumkataster erfasst. Dieses gibt Informationen über den Zustand jedes Baumes sowie ob und gegebenenfalls welche Pflegemaßnahmen anstehen. Man gehe mit natürlichen Mitteln gegen Schädlinge vor, setze Nistkästen statt Pestizide ein, wurde erklärt. Grundsätzlich, so der Experte, habe der heiße Sommer natürlich seine Spuren hinterlassen.

Künftig wohl mehr heiße und trockene Sommer

Viel erkenne man an der „Körpersprache der Bäume“, und dazu gebe es auch die Erkenntnis, dass es künftig wohl mehr heiße und trockene Sommer geben kann. Das führt dazu, dass bei Ersatzpflanzungen heimische Baumarten bevorzugt werden, die man auch nicht in Holland oder Spanien bestellt, sondern bei Baumschulen in der Region. Dieser Priorität entsprechen auch die auf dem Friedhof vorhandenen Bäume, wie Schwarzkiefern, Zerr-Eiche (Quercus cerris), Deutsche und Ungarische Eiche, Tulpenbaum, Kaiserlinde, Birke, Schwarzkiefer, Schwarzbirke, Spitzahorn, Rosskastanie und aus einer Baumspende eine etwa 15 Jahre alte Esskastanie, die sogar schon kleine Früchte trägt.

Auch gibt es den Baum Nummer 124, eine Eibe, die früher in deutschen Wäldern sehr verbreitet war. Einige Kastanien sind schon 120 Jahre alt. Sie waren in Seckenheim Anfang des 20. Jahrhunderts als Randbepflanzung nahe der Friedhofsmauer gesetzt worden. Die Zahl hat abgenommen, da Kastanien durch die Hitze geschwächt und teilweise durch Schädlinge beeinträchtigt wurden und sind.

Andererseits wächst beispielsweise an einer Außenmauer zur Siedlung hin, eine Wildling, eine schon stabile Rosskastanie, die sich erstaunlich gut entwickelt und im Schatten eines Spitzahorns sehr gut etabliert hat. Da sie mit dem gegebenen Klima klarkommt, bleibt sie natürlich stehen, erklärte der Experte, denn der „Friedhof ist ein Naturrefugium“, so Schüpferling.

Die Stabilität dieser Bäume war Schüpferling sehr wichtig. Daher zeigte er ausführlich die verschiedenen Stammbildungen auf und legte dar, wie unterstützende Maßnahmen, etwa in der Baumkrone, aussehen. Solche Stabilisierungen und Eingriffe waren früher sehr viel brachialer, etwa mit Metallankern oder Stahlseilen. Heute wählt man flexible Hilfen, die nach aktuellen Erkenntnissen mehr Wert auf die natürliche Balance des Baumes legen, der Baum wird darin unterstützt sein Gleichgewicht selbst zu finden und durch gezielte Kronensicherung seine Standfestigkeit zu verbessern.

Eingriffe werden vorgenommen wo nötig, etwa bei starkem Mistelbefall, den es in Seckenheim glücklicherweise nicht gebe. Er beschrieb in seinem sehr lebhaften und engagierten Vortrag auch die Beeinträchtigungen in Wachstum und Jahreswechsel durch Pilzbefall. Flechten und Moose hingegen würden einen Baum nicht beeinträchtigen.

Schüpferling räumte mit dem Vorurteil auf, dass Efeu einen vitalen Baum schädigen würde. Lediglich ein aus anderen Gründen absterbender Baum wird vom Efeu dafür genutzt, sich massiv zu vermehren um seine Art zu erhalten. Nach zweieinhalb Stunden bedankte sich der Referent bei seinen aufmerksamen Gästen. Auch Marianne Seitz bedankte sich. Es gab viel Beifall, denn Schüpferling hatte viel Wissen über die hiesigen Bäume und über die Pflanzungen auf dem Friedhof mit den Gästen geteilt.

Wer möchte, so Schüpferling, der kann für 300 Euro einen Jungbaum spenden. Einige Baumspender waren auch unter den Teilnehmern. Ein Jungbaum braucht zudem etwa 150 bis 200 Liter Wasser pro Woche, weshalb auch Gieß-Patenschaften übernommen werden können.

Der Seckenheimer Friedhof übrigens, 1845 zusammen mit dem quer stehenden Torgebäude errichtet, wurde zwar gemäß einer Anordnung der Badischen Regierung angelegt, aber von der Bevölkerung nicht angenommen. Es wurde weiter rund um die St. Aegidiuskirche beerdigt. Erst eine Anweisung des Bezirksamts mit Strafandrohung bewirkte, dass im September 1846 der erste Seckenheimer am Bernauer Buckel, einem Ausläufer der Waldspitze-Sanddüne, seine letzte Ruhe fand. Von den bei der Anlage damals vor über 170 Jahren gepflanzten Bäumen ist indes kein Exemplar mehr vorhanden.

Freier Autor

Copyright © 2025 Mannheimer Morgen