Seckenheim

Warum in Mannheim-Seckenheim am 1. Mai Bürger, Vereinsvertreter und Politiker demonstrieren

Nach einem Nazi-Aufmarsch am 1. Mai 2002 beschlossen Bürger im Mannheimer Stadtteil Seckenheim, ab sofort jedes Jahr selbst am 1. Mai auf die Straße zu gehen- und zwar gegen Gewalt und Extremismus

Von 
Hartwig Trinkaus
Lesedauer: 
Zum 20. Mal trafen sich Bürger, Vereinsvertreter und Kommunalpolitiker am Badener Platz zur Verlesung der Seckenheimer Erklärung. © Sabine Schneider

Am Badener Platz, zwischen Schifferkinderheim und Loretto-Kaserne, fanden sich zur 20. Kundgebung gegen Gewalt und Extremismus zahlreiche Seckenheimer ein, darunter auch die Stadträte Marianne Seitz, Nina Wellenreuther und Thorsten Riehle, Bezirksbeiräte, IG-Ehrenmitglied Werner Bordne und viele Vereinsvertreter sowie Diakon Winfried Trinkaus für die katholische und das Pfarrerehepaar vom Hoff für die evangelische Kirche.

Pfarrer Victor vom Hoff trug später mit Friedensgebeten zum Treffen bei, zu dem der Vorstand der Interessengemeinschaft Seckenheimer Vereine und Organisationen (IG), mit Jürgen Zink, Nicole Kreusel, Willi Pint und Ulrike Bühler, eingeladen hatte. Zink begrüßte und erinnerte an den 1. Mai 2002.

Hubschrauber kreisten damals über Seckenheim und auf der Hauptstraße hatten sich mehr als eintausend Polizisten in schwerer Schutzkleidung aufgestellt. Rechtsextreme hatten eine Kundgebung angemeldet und rechte wie linke Chaoten machten sich mit öffentlichen Verkehrsmitteln auf den Weg an den Neckar. Hier sollten sie auf den Seckenheimer Planken aufeinandertreffen. Das aber wollten weder örtliche Politiker noch hiesige Bürger und schon gar nicht die lokalen Vereinsvertreter.

Die IG riet den Bürgern auf Handzetteln Fenster, Türen, Roll- und Klappläden zu schließen sowie Autos wegzustellen, um beiden Gruppierungen die kalte Schulter zu zeigen. Das gelang recht gut. Als die mehrere hundert Nazis durch die Kloppenheimer Straße auf die Planken einbogen, setzte von beiden Kirchen volles Geläute ein. Die rechte Gruppe konnte keine Kundgebung abhalten und löste sich schließlich ungehört auf.

Zuvor hatte die Polizei eine Konfrontation mit den gut eintausend Autonomen verhindert. Die spielten noch etwas Katz und Maus mit der Polizei, und als sie ebenfalls abgezogen waren, blieben hunderte Pizzaschachteln sowie sonstiger Müll zurück und abends wurde darüber in der Tagesschau berichtet.

Seckenheimer Erklärung

Nein, so etwas wolle man nicht nochmals erleben, erklärte die IG und beschloss damals, künftig jedes Jahr selbst am 1. Mai zu demonstrieren und gegen Gewalt und Extremismus Flagge zu zeigen. Es wurde eine Seckenheimer Erklärung verabschiedet, die auch in dieser 20. Auflage der Demonstration, abermals verlesen wurde. In dieser Note, die traditionell am Tag der Arbeit, diesmal durch die Erzieherin im Schifferkinderheim, Gina Buoncuore, und die jugendliche Bewohnerin Michella Essel, vorgetragen wurde, wird erklärt, dass man unverändert miteinander verantwortlich Gesellschaft gestalten wolle.

Der IG-Vorstand unterstrich, dass man ein Gesellschaftsmodell bevorzuge, das auf Kooperation und gegenseitige Akzeptanz setze. Es solle ein Klima geschaffen werden, das über Partei-, Konfessions- und Vereinsgrenzen hinweg, gemeinsam die Seckenheimer Gesellschaft fördert. Darin wolle man sich nicht auseinander dividieren lassen und sich stattdessen in den Dienst von Frieden und Freiheit stellen. hat

Freier Autor

Copyright © 2025 Mannheimer Morgen