Mannheim. Es waren 18 ausländische Fremd- und Zwangsarbeiter, die Ende März 1945 am Rangierbahnhof Pfingstberg/Seckenheim/Hochstätt selektiv hingerichtet wurden. Ihnen zu Ehren wurde dort nun ein Gedenkstein offiziell eingeweiht. „Es ist ein Erinnerungszeichen, das erstmals in Mannheim ein Endphasenverbrechen des Nazi-Regimes sichtbar macht, ein Denkmal für Zwangsarbeiter, die es in Mannheim in großer Zahl gegeben hat und von denen viele ihr Leben verloren haben“, so Ulrich Nieß, Chef des Marchivum (Mannheimer Stadtarchiv), über ein erschreckendes Kapitel deutscher und lokaler Geschichte.
Eigentlich, so Traudel Gersbach und Wilhelm Stamm vom Heimatmuseum Seckenheim, sollte der Gedenkstein anlässlich 75 Jahre Kriegsende in vergangenen Jahr enthüllt werden, doch Corona verhinderte dies. Man habe aber unbeirrt an diesem Projekt festgehalten mit dem Ziel, die Erinnerung wach zu halten, damit sich so etwas nie mehr wiederholt“, so die Museumsvorsitzende.
Der älteren Bevölkerung in Seckenheim, Pfingstberg und Rheinau ist noch geläufig, dass Ende März 1945 am Rangierbahnhof ausländische Fremd- und Zwangsarbeiter erschossen wurden: Franzosen, deren Namen teilweise bekannt sind, und osteuropäische Zwangsarbeiter, deren Namen mit Unterstützung des Marchivum nach und nach ermittelt werden. Der Grund war, dass sie sich wie mehrere hundert deutsche Bürger aus Mannheims Süden und Südosten, ebenfalls aus den rund tausend dort gestrandeten Güterwaggons voller Mehl, Zucker, Grieß, Nudeln und anderen Waren bedienten. Das war offiziell bei Todesstrafe verboten. Nach Aussagen von Zeitzeugen wurden die Plünderungen geduldet, sofern diese durch Deutsche erfolgten.
Entsetzliches spielte sich hier ab: Zur Bewachung der Züge waren Männer der Feldpolizei abgestellt, im Volksmund „Kettenhunde“ genannt, kenntlich gemacht durch silberfarbene Plaketten an der Uniform. Diese sprachen die Plünderer auf ihre Staatsangehörigkeit an, und wenn sie an der Sprache erkannten, dass es sich um Nichtdeutsche handelte, wurden sie festgenommen, eingesperrt oder sofort erschossen.
18 Ermordete an zwei Stellen
Die Erschießungen polnischer, russischer, ukrainischer und französischer Zwangsarbeiter können auf den Zeitraum vom 27. bis 29. März 1945 fixiert werden. Die Leichen von insgesamt 18 Ermordeten, darunter sechs Franzosen, die übrigen Osteuropäer, davon vier aus der Ukraine, lagen danach an zwei Stellen des Rangierbahnhofs.
„Als klar war, dass hier ein für Mannheim einmaliger Massenmord stattgefunden hat, drängte sich für die Initiative um das Heimatmuseum ein Denkmalprojekt geradezu auf“, so Peter Koppenhöfer. „Dieses Projekt sei dank der Zusammenarbeit zwischen Seckenheims ehrenamtlichem Engagement und der Erinnerungskultur der Stadt Mannheim sowie der namhaften Förderung durch die Heinrich-Vetter-Stiftung und von Heinz Ommert möglich geworden, dankte Nieß.
Auch Mannheims Oberbürgermeister Peter Kurz hatte sich in einem Schreiben bedankt. Wie zugesichert, geht der Gedenkstein in die Obhut der Stadt über. Marchivum und Stadt sollen Erhalt und Pflege des Gedenkortes sicherstellen.
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