Schutzhaft 1938 in Dachau - Deportiert 1945 Theresienstadt - Befreit“. So lauten die Eckdaten des Verfolgtenschicksals von Arthur Baer, zu dessen Erinnerung vor seinem früherern Wohnhaus an der Seckenheimer Hauptstraße, jetzt vor zahlreichen Interessenten ein Stolperstein verlegt wurde.
Markus Enzenauer, Historiker des Marchivum hatte Informationen zusammengetragen, wonach Baer am 21. September 1882 in Ilvesheim geboren, in den frühen 1890er Jahren mit der Familie nach Seckenheim kam. Als Jugendlicher war er Mitbegründer der Seckenheimer Fußballgesellschaft 1898, engagierte sich intensiv im Vereinsleben.
1913 heiratete er die evangelische Emma Seitz. Die Ehe bedeutete, dass Baer seinen israelitischen Glauben formal aufgab, er war also eigentlich kein Jude mehr. Von 1914 bis 1918 deutscher Soldat, erhielt er das Eiserne Kreuz II. Klasse, das badische Verdienst- sowie das Frontkämpferabzeichen. Vaterlandstreue galt bei Baers als selbstverständliche Pflicht. Gedankt wurde das nationale Empfinden nicht und die Heimatliebe schützte nicht vor Nachstellungen der Antisemiten. Als sich seine Brüder Fritz und Julius 1936 das Leben nahmen, war es die fehlende wirtschaftliche Perspektive, die in Trümmern liegende Existenz und „das Gefühl eines Ausgeschlossen- und Isoliert-Seins, das die Männer in die Verzweiflung trieb“, so Enzenauer.
Vor dieser Zeit hatte Arthur Baer beruflich Erfolg. Doch die sogenannten „Judengesetze“ führten 1938 dazu, dass er arbeitslos wurde, jedoch, freilich ohne auf der Lohnliste zu erscheinen, arbeitete er bei Lochbühler als kaufmännischer Angestellter. Karl Lochbühler war der Neffe von Baers Ehefrau. In einem Hinterzimmer kam er zwar mit Kunden nicht in Berührung, dennoch wurde das der NSDAP-Ortsgruppe angezeigt und Lochbühler ließ Baer nun die Buchführung bei sich zu Hause machen.
Am 10. November 1938 wurde Arthur Baer von SA-Leuten verhaftet und nach Dachau gebracht. Lochbühler setzte sich abermals für Baer ein und erntete von Seckenheims SA-Sturmführer Hermann Weissling eine scharfe Zurückweisung mit der Androhung von Konsequenzen. Baer wurde Anfang Dezember 1938 freigelassen, wie etliche in dieser Zeit verhaftete „Juden“, die so zur Auswanderung bewegt werden sollten. Baer arbeite zunächst weiter bei Lochbühler, dann 1941 bei der Glaserei Wilhelm Lechner in Mannheim als Hilfsarbeiter und schließlich bei der Firma Otto Wittig in Schwetzingen als Tabakarbeiter. Durch die sogenannte „Mischehe“ mit einer arischen Frau geschützt, blieb er von einer Deportation verschont.
Am 14. Februar 1945 wurde er von der Gestapo nach Theresienstadt verschleppt und dort Anfang Mai 1945 durch die Rote Armee befreit. Ende Juni 1945 war Baer wieder in Seckenheim. Die Firma Wittig stellte ihn als Tabakmeister ein, ehe er sich 1946 als Tabakhändler selbstständig machte, mittlerweile 58 Jahre alt. Enzenauer ging auch auf das Nachkriegsleben Baers ein, der 1954 starb.
Wilhelm Stamm, Chef des Historischen Vereins, dankte Enzenauer und Karlheinz Lochbühler für die Patenschaft des Stolpersteins. „Der Prozess um die historische Auseinandersetzung mit der NS-Zeit reicht bis in die Gegenwart. Möge der Stolperstein seinen Beitrag dazu leisten“ erklärte der Historiker und fügte an: „Nötig wäre dies allemal“.
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