Mannheim. „Das ist mein Lieblingsort“, sagt August Mehl und blickt über den Lena-Maurer-Platz. Das Areal am Bromberger Baumgang ist Zentrum der Schönau, die seit 1953 eigenständiger Stadtteil Mannheims ist. Für Mehl ist es ein Ort mit vielen Erinnerungen.
Weil Markttag ist, sind viele Menschen unterwegs. „Ein Platz war das schon immer“, erinnert sich der Schönauer, der 1942 nicht weit entfernt in einem Siedlungshaus in der Sohrauer Straße geboren wurde. Einen Markt gab es damals aber noch nicht: „Jeder hatte ja seinen Garten und hat selbst alles angebaut.“ Erst im Mai 1955 stellten 20 Händler zum ersten Mal Tische und Schirme auf, um ihre Waren anzubieten.
Die ersten auf dem Papier entworfenen Siedlungshäuser entstanden 1935, kurz nach Gründung der Siedlergemeinschaft Schönau. „Da drüben gibt es noch alte Exemplare“, sagt Mehl und zeigt schräg gegenüber auf die andere Straßenseite. Die Bauten entstanden, weil große Wohnungsnot herrschte. „Im Schönauer Bunker lebten 223 Menschen“, erzählt Mehl. Die Männer, Frauen und Kinder hausten dort auf engstem Raum und ohne Tageslicht. „Sie haben deshalb die ersten Häuser bekommen“, erinnert er sich an Erzählungen seiner Eltern.
Die ersten Eigenheime waren spärlich ausgestattet, doch die Besitzer waren mächtig stolz: „Obwohl wir keine Heizung, kein Wasser und keinen Kanal hatten“, beschreibt Mehl. Zu den „wilden Siedlern“, wie die Schönauer noch heute scherzhaft genannt werden, habe er aber nicht gehört. Dieser Begriff beziehe sich auf die Menschen, die ab 1926 aus Brettern, Kanisterblech und Eierkistenholz einfachste Hütten am Nordrand der Zellstofffabrik (heute Essity) an der Frankenthaler Straße errichtet hatten. Sie waren meist arbeitslos oder hatten wenig Geld.
Siedlerheim löst Bunkerhalle ab
Das heutige Siedlerheim als Veranstaltungsstätte gab es in Mehls Kindheit noch nicht: „Alles spielte sich in der Bunkerhalle ab, die ist längst abgerissen“, erklärt er. 1960 wurde das Siedlerheim eingeweiht, das neben einem Saal auch eine Gaststätte beherbergt. Auch der Bunker ist ins Stadtteil-Zentrum integriert: Der Eingang dient als Bühne für Feste, ein Teil ist Lager. „Im ersten Obergeschoss ist das erste Bunkermuseum Baden-Württembergs. Es wurde 2005 eingeweiht“, sagt Mehl. Er hat das Museum mitgegründet.
Der Schönauer läuft ein paar Schritte weiter: „Es gab hier auch ein Kino“, direkt neben dem Bunker habe die Stadt 1954 das Lichtspielhaus eröffnet. „Ich habe den ersten Film gesehen, er hieß ,Weg ohne Umkehr’“, erinnert sich Mehl. Der Eintritt habe lediglich ein paar Pfennige gekostet. Das Kino wurde nach 15 Jahren geschlossen, an gleicher Stelle entstand ein Einkaufsmarkt.
„Da drüben“, sagt Mehl und zeigt über die Baumwipfel, „da ist die Schönauschule. Die einzige Mannheims, die während der NS-Zeit gebaut wurde.“ Auch die beiden Kirchen, die evangelische Emmaus- und die katholische Guter-Hirte-Gemeinde, gehören zu Mehls Viertel: „Beide wurden 1952 geweiht.“
Sechs Jahre saniert
1995 wurde der Lena-Maurer-Platz mit einer Brunnenanlage herausgeputzt. 2012 begannen umfangreiche Sanierungsarbeiten, die erst 2018 mit dem zweiten Bauabschnitt abgeschlossen wurden – als letzter Teil der städtebaulichen Erneuerungsmaßnahme Schönau-Mitte, in die insgesamt 60 Millionen Euro flossen. Die Gesamtkosten für die Umgestaltung des Platzes lagen bei rund 1,6 Millionen Euro.
Der 77-Jährige freut sich, wie sich sein Viertel und der gesamte Stadtteil in den vergangenen Jahren verändert haben: „Durch Schönau-Mitte wurde alles richtig schön, jetzt läuft mit Schönau-Nordwest die nächste Maßnahme, die Leute kriegen tolle Wohnungen“, lobt Mehl die umfassenden Sanierungen der Mannheimer Wohnungsbaugesellschaft GBG, die in den kommenden zehn Jahren 132 Millionen Euro in den Nordwesten investiert. Für seine Nachkommen sei so auch künftig gesorgt, schmunzelt Mehl, der mit seiner Gattin Uschi drei Kinder hat. Acht Enkel und fünf Urenkel halten das Paar zusätzlich auf Trab.
Dass der Lena-Maurer-Platz sein Lieblingsort ist, hat auch einen persönlichen Grund: „Lena Maurer war eine tolle Frau, sie hat so viel für unseren Stadtteil gemacht, für Arbeitsplätze und Wohnungen gesorgt“, erinnert sich Mehl an die SPD-Landtagsabgeordnete, die den Beinamen „Engel von Schönau“ trug. Was perfekt zum Stadtteil passe: „Die Menschen sind hier einfach liebenswert, bodenständig und hilfsbereit.“
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