Rheinau - Jubiläum einer Einrichtung, die von Anfang an alle Generationen zusammenführen sollte

Nachbarschaftshaus blickt auf 50 Jahre Jugendarbeit zurück

Von 
Jan Cerny
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Wie zeitlos sich sein Satz erweist, konnte Bürgermeister Dr. Hans Martini seinerzeit nicht ahnen: "Hier herrscht ein Lebensgefühl, das unserer Zeit entspricht", verkündete er bei der Eröffnung des Nachbarschaftshauses Rheinau. Das war vor 50 Jahren. Wie ein roter Faden begleitete das aktuelle Lebensgefühl die noch junge Geschichte des Hauses, in guten Zeiten wie in schlechten. Demnächst feiert es das Jubiläum des 50-jährigen Bestehens.

Es gab einen Vorläufer für das Nachbarschaftshaus: 1948 richteten die "German Youth Activities" (GYA), eine Einrichtung der US-amerikanischen Zivilverwaltung, ein kleines Jugendzentrum in einer Baracke des einstigen Reichsarbeitsdienstes am Ende der Relaisstraße. Rock 'n' Roll war angesagt, Coca-Cola, Jazz und Hollywood. Es war, als hätte der Treff in der Baracke ein Fester in die große Welt geöffnet.

Indes: Die Baracke war bald baufällig, zudem hat sich die Stadtverwaltung längst der Jugendarbeit angenommen, und mehrere Jugendhäuser gebaut. Auf der Rheinau verfolgte sie ein anderes Konzept. "Im Nachbarschaftshaus Rheinau sollten Menschen aller Altersgruppen zu gemeinsamem Tun zusammengeführt werden", erklärte die damalige Jugendamtsleiterin Dr. Elfriede Goldacker. Die Gruppenräume und der Saal sollten nicht nur der Jugendarbeit dienen, sondern auch Vereinen und Gruppierungen zur Verfügung stehen.

Das war nicht immer einfach. Kurz nach der Eröffnung des Hauses 1962 wachte die Jugend politisch auf, fing an, ihre Vorstellungen vom Zusammenleben zu formulieren: Rock, Beat, Disco und freiere Gespräche über Sexualität und keine Bevormundung durch Erwachsene. Die Betreuer stellten ihre Jugendarbeit darauf ein. Im Vordergrund stand nicht mehr die Formung der Jugendlichen, sondern die Unterstützung beim Artikulieren der eigenen Wünsche und Vorstellungen.

Das wiederum war nicht ohne Risiko. Wer Wünsche äußert, will sie auch erfüllt haben, und zwar sofort. Es kam zu Auseinandersetzungen über die Belegungen der Räume durch die verschiedenen Jugendcliquen, bis hin zu Schlägereien. Im Frühjahr 1975 musste das Haus geschlossen werden, wenn auch nur für eine kurze Zeit. Mit einem neuen Konzept startete der damalige Leiter Volker Trippmacher die Jugendarbeit: Spiele, handwerkliche Kurse und Arbeit mit Medien - die Kreativität stand im Vordergrund.

Vor allem fürs Fotografieren und Filmen ließen sich die Jugendlichen begeistern. Es entstanden zum Teil hochwertige Filme. "Nadine und Simone", eine Geschichte über ein missbrauchtes Mädchen, hatte es 1982 zu den Pfaffenhofener Jugendfilmtagen gebracht.

Inzwischen hat der Computer die Kamera abgelöst. Erneut stellte sich das Nachbarschaftshaus auf die neuen Begebenheiten ein. "Aber auch die Zusammensetzung der Jugendlichen hat sich geändert", stellt Helmut Sauler, seit 1989 Leiter des Hauses, fest. Jugendliche mit Wurzeln in unterschiedlichen Ländern außerhalb Deutschlands und auch außerhalb Europas prägen das Bild mit. Und damit ist längst nicht nur Kurzweil bei der Jugendarbeit, sondern auch praktische Hilfe für den Schul- beziehungsweise Berufsschulalltag angesagt.

Nach 50 Jahren ist das Nachbarschaftshaus nicht mehr aus dem Stadtteil wegzudenken. Tatsächlich wird es auch von Vereinen wie dem Tanzsportverein, dem Schachverein Lasker Mannheim oder den Sandhase genutzt. Das Haus gibt auch politischen Veranstaltungen einen Rahmen. Regelmäßig finden hier die öffentlichen Sitzungen des Rheinauer Bezirksbeirates statt.

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