100 Hektar Fläche auf dem bis zu 2000 Tier- und etwa 7000 Pflanzenarten heimisch sind: Die Mannheimer Reißinsel ist ein für Bürger offenes Naturschutzgebiet. Seit Anfang August ist die Insel wieder geöffnet.
Zuvor war die Reißinsel seit dem 1. März geschlossen. Grund hierfür war der Schutz von Tier- und Pflanzenarten und insbesondere Vögeln: "Viele Vogelarten brüten im Frühjahr ihre Eier aus und müssen im Anschluss auch ihre Jungen versorgen", sagte Katrin Back vom Fachbereich Grünflächen und Umwelt der Stadt Mannheim.
Verspätung wegen Hochwasser
Ursprünglich sollten pünktlich zum 1. Juli Besucher die Insel wieder betreten dürfen. Weil aber der Rhein auf Grund der vielen Regenfälle Hochwasser meldete, verschob sich die Wiedereröffnung um einen Monat.
Dabei stellt das grüne Areal einen Rückzugsort dar, wie es sonst nur noch wenige in der Region gibt: Auf der Streuobstwiese der Reißinsel wachsen 600 Apfel-, aber auch Birnen-, Pflaumen- und Mirabellenbäume. Die Wiese wird dabei gemäß den Richtlinien des biologischen Landbaus bewirtschaftet. Die gepflückten Früchte werden an Kelterei verkauft, die aus den Früchten wiederum Säfte für biologische Supermärkte produzieren. "Wir laden Spaziergänger und Besucher natürlich dazu ein, sich mal ein, zwei Äpfel von den Bäumen zu pflücken und reinzubeißen, um einen Eindruck zu bekommen. Wenn aber ganze Körbe der hier angebauten Früchte mitgenommen werden, sehen wir das nicht gerne", erklärte Back.
Biotop und Brutstätte
Die Streuobstwiese ist dabei nicht nur Anbaugebiet für naturbelassene Früchte, sondern gleichzeitig auch ein wichtiges Biotop und Lebensraum für eine Vielzahl von Tieren, die auf der Wiese leben.
Hornissen beispielsweise nisten sich in an den dort wachsenden Bäumen ein und zeugen ihre Brut. Im Gegensatz zu den ausgewachsenen Hornissen brauchen die Nachkommen jedoch nicht Nektar, sondern Insekten zum Wachstum. "Das ganze ist ein geschlossener Kreislauf: Weil ältere Hornissen, Insekten für ihre Jungen fangen, reguliert sich der Bestand auf der Streuobstwiese automatisch. Sind die Junghornissen ausgewachsen, machen sie sich wiederum auf die Suche nach Pflanzen, deren Nektar sie verzehren", so Back.
Insgesamt lädt die Streuobstwiese also nicht nur zu Spaziergängen ein, sondern ist auch der Schauplatz von mannigfaltigen Naturspektakeln, ob Obsternte oder Jungtierentwicklung.
Gleichzeitig stellt die Reißinsel auch ein Auengebiet dar: Am Ufer der unbegradigten Rheinschlinge prägen Kiesbänke das Refugium. In unmittelbarer Nähe erlauben stickstoffreiche Sandböden das Wachstum von sogenannten Indikatorpflanzen. Brenneseln, der Ampferknöteriche oder Bärenklau siedeln sich hier an und fühlen sich auf den Böden in Flussnähe pudelwohl.
An die Ufervegetation grenzt schließlich ein Weichholzgebiet mit Pappeln und Weiden und schließlich ein Hartholzgebiet mit Ulmen, Eschen und Eichen an - der typische Aufbau eines Auengebiets.
Auengebiet auf der "Fasaneninsel"
"Das Auengebiet ist sehr vielfältig und macht die Reißinsel in ihrer Vegetation einzigartig", sagte Back. Auch deshalb finden Tierarten wie Wildschweine, Rotmilane oder Ringelnattern im Auengebiet ihr Zuhause. Und: Sogenannte Neophyten, also Pflanzenarten, die in Zentraleuropa eigentlich nicht heimisch sind, aber über die Flussströmung und Langstreckenwinde herkommen, besiedeln die Reißinsel mittlerweile. "Damit haben wir zu kämpfen. Die Neophyten dürfen heimische Pflanzenarten nicht verdrängen", gestand Back, die auf Tagfalter spezialisiert ist, ein.
Die Reißinsel geht dabei auf den Mannheimer Industriellen und Generalkonsul Carl Reiß zurück. 1881 hatte er die "Fasaneninsel", wie die Reißinsel damals hieß, nördlich des heutigen Strandbades gekauft, um Lehm abzubauen.
Weil Reiß aber ein Naturfreund war, und es nicht übers Herz brachte, die Insel nur für rein wirtschaftliche Zwecke zu nutzen, öffnete er sie an ausgewählten Tagen auch für die Bürger der Stadt. An Sonntagen konnte die Bevölkerung hier spazieren, an ausgewählten Tagen fanden Schulfeste statt.
1915 ging das Areal nach dem Tod Reiß' an die Stadt Mannheim über - mit der Auflage, sie so zu erhalten und weiterhin für die Bevölkerung zugänglich zu machen. Würde Reiß heute sehen, welch Artenvielfalt und Schönheit auf der Reißinsel zu bestaunen sind - er würde sich gewiss freuen.
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