Neuostheim

"Es ist nicht alles Gold, was glänzt": was der Stadtteilverein Mannheim-Neuostheim im Leihamt lernte

Sie haben - bevor Corona kam - schon viele Besichtigungen unternommen, die Mitglieder des Stadtteilvereins Mannheim-Neuostheim. Jetzt konnten sie endlich wieder auf Tour gehen, und besuchten das städtische Leihamt.

Von 
Sylvia Osthues
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Anfassen ausdrücklich erlaubt: ob „Autobahngold“ oder echte Goldbarren – das weiß Leihamt-Mitarbeiter Frank Kucharski (im Hintergrund). © Sylvia Osthues

Inflation und steigende Energiepreise, hohe Arztrechnungen, für die der Dispo nicht ausreicht, Handwerker, die ein Buch voll offener Rechnungen, aber das Geld noch nicht bekommen haben: Dass sich ein Pfandkredit hervorragend dazu eignet, temporäre Geldprobleme zu überbrücken, erfuhren die gut 30 Mitglieder des Stadtteilvereins Neuostheim beim Besuch im Städtischen Leihamt Mannheim.

Der Stadtteilverein wurde vor 12 Jahren gegründet und hat im Laufe der Jahre schon viele Besichtigungstouren unternommen – bis Corona kam. Umso mehr freute sich Vorsitzender Stefan Bickmann über die Einladung von Jürgen Rackwitz zum Besuch einer der regelmäßig im Leihamt stattfindenden Goldenen Stunden.

Seit 2001 führt Rackwitz die Geschäfte des einzigen öffentlich-rechtlichen Leihamts in Deutschland. Seit 1809 kommen die Bürger Mannheims hierher, wenn sie schnell und unkompliziert Geld brauchen – laut Statistik heute jeder achte Mannheimer. Zum Beispiel wenn eine Renovierung fällig, die Immobilie aber angeblich zu alt für eine Hypothek ist, oder vermehrt Unternehmer im Zuge der wirtschaftlichen Auswirkungen der Covid-19-Pandemie. „Mit der hohen Inflation und den steigenden Nebenkosten finden mehr und mehr Menschen den Weg zu uns“, berichtete Rackwitz.

Rentnerinnen beispielsweise, die ein Armband oder eine Uhr beleihen, um offene Rechnungen zu begleichen, ohne einen Bankkredit aufnehmen zu müssen. „Beliehen werden nur bewegliche Sachen, die einen gewissen Wert haben“, erklärte Rackwitz. Die Kunden bringen hauptsächlich Gold und Silber, Schmuck, aber auch Musikinstrumente oder Handwerker Maschinen.

Mitarbeiter des Leihamts schätzen den Wertgegenstand und zahlen an der Kasse den vereinbarten Pfandkredit aus – bar und seit 2021 insbesondere bei hohen Beträgen auch per EC-Karte. Doch nicht alles ist Gold, was glänzt, zeigte Rackwitz den Besuchern anhand eines Tabletts voll „Autobahngold“ – Urlaubern angedreht durch windige Verkäufer. Bis der Kunde das Pfand wieder auslöst, wird sein Wertgegenstand im Leihamt sicher verwahrt. Kann der Kunde das ihm gewährte Entgelt und die aufgelaufenen Zinsen nicht zahlen, wird der Gegenstand versteigert. Ein höherer Erlös, geht an den Kunden. Anders als bei privatwirtschaftlichen Unternehmen gehen Jahresüberschüsse satzungsgemäß an den Sozialhaushalt der Stadt Mannheim und werden sozialen Zwecken zugeführt.

Die Kundschaft des Leihamts geht durch alle Schichten. „Mit Ausnahme der ganz Armen, die nichts haben, und der ganz Reichen, die das nicht nötig haben“, meinte Rackwitz. Obwohl das Leihamt schon vielen Mannheimern geholfen hat, sei die Angst der Menschen vor der über 200 Jahre alten Institution leider noch immer groß“, bedauerte Rackwitz. „Wir bewerten nicht die Menschen, sondern allein das Pfand“, betonte er.

Der Geschäftsführer wies auf den Vorteil eines Pfandkredits gegenüber einem Bankkredit hin: „Der Kunde haftet beim Pfandkredit nicht persönlich, sondern es geht allein um das Pfand – also ohne persönliche Verpflichtung.“ Und noch einen besonderen Service bietet das Leihamt: Dort kann man seine ganz persönlichen Schätze zum Schutz vor Einbrechern, beispielsweise in der Urlaubszeit, sicher und gegen ein relativ geringes Entgelt einlagern lassen.

Beim anschließenden Rundgang durch das Haus durften die Mitglieder des Vereins auch einen Blick in die Lager werfen. Wer eigene Schätze mitgebracht hatte, wurde bei der Bewertung durch die Experten Marek Brach und Helmut Dietz mit viel Fingerspitzengefühl und Sachkunde bedient. Die Besucher waren begeistert: „Was für eine interessante Arbeit und was für ein toller Ort“, schwärmte Carola Rihm. Das Leihamt in D 4 ist kein finsterer Ort, wie man es aus alten Filmen über private Pfandverleiher kennt, sondern ein lichtdurchfluteter, offener und prächtiger historischer Bau, der in den 1948 sogar Kulisse für einen Hollywoodfilm war. „Ein Besuch lohnt sich“, waren sich die Besucher einig.

Freie Autorin

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