Am Nachmittag herrscht in der Turnhalle der Humboldtschule Turnierstimmung, denn hier findet das äußerst beliebte Kicken&Lesen statt. Veranstaltet wird die Aktion vom Verein Neckarstadt Kids, der 2018 gegründet wurde, um für die im Stadtteil lebenden Kinder Freizeitangebote zu schaffen.
Auf den ersten Blick wirkt Kicken&Lesen wie eine reine Spaß-Veranstaltung. Die Kinder, die die dritte und vierte Klasse besuchen, werden in Dreiergruppen eingeteilt und durchlaufen verschiedene Stationen. An den Stationen warten Sachbücher, doch nicht etwa trockene, sondern lustige, bunte, und sie kennen nur ein Thema: Fußball.
Die Kinder werden mit Quizfragen ausgestattet, deren Antworten sich in den Büchern befinden. Den Antworten sind Zahlen zugeordnet, mit denen ein Kombinationsschloss an einer Box geöffnet wird. In der Box ist ein Miniatur-Fußball, und wenn dieser befreit ist, geht das Turnier erst richtig los.
Ein Fußballfeld wird aufgebaut, die Kinder können das Kicken kaum erwarten. „Es gibt keine Regeln, nur: keine hohen Schüsse“, sagt Trainer Marc Lutz, der zusammen mit Selin Kardelen für den sportlichen Teil des Projekts zuständig ist. Fünf Minuten lang spielen die Mini-Mannschaften gegeneinander, dann wird gewechselt.
Das Projekt sorgt dafür, dass die Kinder Spaß an der Bewegung haben und dass das Sozialverhalten gestärkt wird. Auch das Lesen soll gefördert werden. Im Stadtteil Neckarstadt West haben viele Kinder einen hohen Sprach- und Leseförderbedarf, die Eltern können sie kaum unterstützen. So entsteht eine Hürde, ein Buch zu lesen. Die Hürde scheint beim Kicken & Lesen nicht vorhanden zu sein.
„Das Gute ist, dass das Lesen nebenher passiert“, sagt Andrea Pörner von der Stadtbibliothek. Doch nicht nur in der Turnhalle findet das Projekt statt, es gibt auch digitale Angebote, wie das Erstellen eines Comics, Trickfilms oder Quiz. Ausflüge in die Stadtteilbibliotheken Herzogenried und Neckarstadt gehören ebenfalls mit dazu. Auch auf spezielle Wünsche der Kinder versucht das Team einzugehen.
„Die Kinder wünschen sich, ins Fußballstadion zu gehen, weil sie noch nie in einem waren. Sie möchten sich ein Waldhof-Spiel anschauen, mal sehen, was sich organisieren lässt“, sagt Lutz, der Sport und Mathematik auf Lehramt studiert und in der zweiten Mannschaft des SV Waldhof spielt.
Das Projekt startete 2019, Lutz war von Anfang an mit dabei. „Ich habe den Trainerschein vor dem Abi gemacht und habe nach einer Möglichkeit gesucht, mit Kindern zu arbeiten. Da kam das Angebot. Die Kinder begeistern sich nicht nur für Fußball, sie nehmen auch das Lesen dankend an, bis jetzt gab es niemanden, der nicht lesen wollte.“
Zuerst nahm nur die Humboldtschule teil, inzwischen auch die Neckarschule. Im Jahr 2019 wurde das Projekt noch von der Baden-Württemberg-Stiftung getragen, die letzten beiden Jahre wird es von der Nehring-Stiftung finanziert, erklären die Macher: „Wir haben 2019 ausprobiert, ob die Kinder das machen möchten, und schon beim ersten Mal kam es gut an. Der Kurs findet jede Woche statt, von Oktober bis Ende Juli. Wir spielen nicht nur Fußball, die Trainer denken sich auch andere Übungen aus.“
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