Mannheim. Mit dem Lied „Monnemer Dreck“ sorgte der Mannheimer Musiker Gringo Mayer für einen starken Auftakt bei der Präsentation der neuesten Publikation des Marchivums vor mehr als 150 Besuchern. Der frühere Stadtarchivar und Buchautor Hans-Joachim Hirsch nahm trotz schwerer Erkrankung im Rollstuhl an der Vorstellung seines Buches „Mannheim-Neckarstadt – Ein Stadtteil von den Anfängen bis zum Zweiten Weltkrieg“ teil.
Der Stadtteil, der in diesem Jahr sein 150-jähriges Bestehen feiert, ist dem Direktor des in der Neckarstadt ansässigen Marchivums, Ulrich Nieß, ans Herz gewachsen. „Besonders der raue, herbe Charme der Neckarstadt verdient es, in gehobener Form, nämlich in Buchform, dargestellt zu werden“, erklärte Nieß. „Der zahlenmäßig größte Mannheimer Stadtteil ist ein Quartier mit großem Potenzial und hat viel mehr Achtung verdient“, betonte er. Dazu trage der langjährige Mitarbeiter seines Hauses Hans-Joachim Hirsch in Buchform bei. „Sein Buch ist ein tolles, kluges und subtil die Geschichte des Stadtteils darstellendes Werk“, lobte Nieß. „Happy Birthday Neckarstadt – ein Feuerwerk wäre angemessen“, sagte Erich Siebert von der Geschichtswerkstatt Neckarstadt. Bei der Einführung in das Werk seines langjährigen Vereinsmitgliedes Hirsch nannte er als Gründungsdatum des Stadtteiles – ermittelt durch die Geschichtswerkstatt – den 15. Februar 1872, als Mannheims damaliger Oberbürgermeister Eduard Moll die staatliche Genehmigung zur baulichen Erschließung der Neckar(vor)stadt erwirkte. „Das Buch von Hans-Joachim Hirsch schreibt erstmalig die Geschichte des Stadtteils im Zusammenhang und gibt Anregung, die Geschichte weiter zu vertiefen“, erklärte Siebert. Das Buch ende nach Zweitem Weltkrieg – wünschenswert wäre aber ein Fortsetzungsband über die sieben Jahrzehnte danach, sagte er. Anja Gillen – die Mitarbeiterin das Marchivums hatte das Werk bearbeitet und redigiert – dankte Hirsch „für seine jahrzehntelange, akribische Quellenarbeit“, dem Verlag Regionalkultur für die Veröffentlichung und dem Direktor des Marchivums, dass er „das Erscheinen des Buches mit hoher Intensität vorangetrieben hat“.
Gillen stellte den Inhalt im Einzelnen vor. Die Abhandlung umfasst die Geschichte der Neckarstadt von ersten Siedlung über die Stadtteilgründung bis nach Zweitem Weltkrieg und endet mit einem Ausblick auf demokratische Zukunft. Die heutige Neckarstadt-West hat ihren Ursprung in den ehemaligen „Neckargärten“. Diese wurden ab 1679 nördlich des Neckars auf dem „Pflügersgrund“ als Bürgergärten angelegt und Ende 1682 an 560 Bürger zur Nutzung vergeben.
Die Stadtteilgründung 1872 war der Startschuss für einen ganz besonderen Stadtteil mit oft widerstreitenden und widersprüchlichen Lebenslinien. Im Zuge der Industrialisierung entwickelte sich der Stadtteil zum Arbeiterviertel. Das Buch erzählt von stinkenden Chemiefabriken und sozialer Not aber auch von Freizeitvergnügen. Der Leser erlebt, wie sich der Stadtteil zur „roten Hochburg“ entwickelt. Erzählt wird von Aufmärschen der Nationalsozialisten und vom Widerstand dagegen, aber auch von Denunzianten. Das Arbeiterviertel, das aufgebaut war wie die Innenstadt mit Buchstaben und Zahlen, reicht vom Industriehafen bis zur „Neumzehnten“ (heute Lupinenstraße), vom „Musebrot-Viertel“ im Osten bis hin zum Hauptfriedhof. Im Zentrum der Neckarstadt liegt der Alte Meßplatz, auf dem ursprünglich die Mannheimer Mess stattfand, wo aber auch Straßenkämpfe und Aufmärsche ihre Anfänge nahmen. Rechtzeitig zum 150-jährigen Bestehen der Neckarstadt können Leser dies nun alles nachverfolgen.
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