Für „Aufreger“ in der ohnehin schon durch die negative 37 Grad Berichterstattung des ZDF betroffenen Neckarstadt-West sorgten die Vorschläge der Initiative „Westwind – Smart City Neckarstadt-West/ Jungbusch – gestärkt aus der Krise – Chancen und Perspektiven für eine bessere Stadt“ zur nachhaltigen Entwicklung der Stadtteile.
Nach Ausarbeitung eines Positionspapiers mit Handlungsfeldern und einem konkreten Aktionsplan hatten die Initiatoren Florian Fischer (stellvertretender Vorsitzender des Gewerbevereins Neckarstadt West Jungbusch), Stadtrat Markus Sprengler (Grüne), Marcel Hauptenbuchner (Geschäftsführer und Mitinhaber der Mannheimer Immobilienfirma „Hildebrandt & Hees“), sowie Maik Rügemer vom „Netzwerk Wohnumfeld/Bürgerinitiative Neckarstadt-West“ Kommunalpolitiker zum Vororttermin beim Kiosk am Neumarkt eingeladen. Themen waren die „Schließung der Lutherstraße und Umwandlung der Langstraße in eine Fahrradstraße“.
Auch zahlreiche Bürger waren gekommen, sie machten ihrem Ärger über „mangelnde Bürgerbeteiligung“ Luft. Nur auf einer öffentlichen Veranstaltung mit Bürgern könnten solche Themen besprochen werden.
Woher Fischer als Unternehmer die Legitimation für solche Veränderungen nehme, zusammen mit einem Grünen-Stadtrat und dem Geschäftsführer von Hildebrandt & Hees, wollte Karlheinz Paskuda wissen. Imre Üysal befürchtete, dass durch Fischers Kaffeerösterei in der Lutherstraße, die sich an ein ausgewähltes akademisches Publikum richte, nicht nur wertvoller Wohnraum wegfiele, sondern auch die Mietpreise, wie im Jungbusch, hochgetrieben würden. Die Immobilienfirma Hildebrandt & Hees, die inzwischen Eigentümerin von circa 30 Häusern im Jungbusch und der Neckarstadt-West sei, sorge für einen „Verdrängungseffekt“, glaubte Nikolaus Husch. Auch Geflüchtete und er als Bezieher eines Grundeinkommens hätten ein Recht darauf, hier zu wohnen.
Der Bundestagsabgeordnete Nikolas Löbel und Stadtrat Thomas Hornung (beide CDU) begrüßten hingegen das Engagement der Unternehmer, die ebenso wie die Bürger das Recht hätten, sich einzubringen. „Wir als Stadt haben uns lange nicht um die Neckarstadt gekümmert“, bekannte Löbel. Seit ein paar Jahren habe die Kommune nun hier ihr Engagement intensiviert, wobei es zudem um die objektive und subjektive Sicherheit gehe, aber auch um Kultur. „Dazu braucht es auch private Investoren, die die Stadtteile mitentwickeln und so für mehr Lebensqualität sorgen“, meinte Löbel.
GBG engagiert im Stadtteil
Daran arbeite die städtische Wohnungsbaugesellschaft GBG hier seit Jahren intensiv. Sie habe schon einige Häuser in der Mittelstraße erworben und versuche so, den Mietpreiszins zu stabilisieren. Bezirksbeirat Roland Schuster (Linke) betonte: „Jeder kann sich zu den vorgeschlagenen Projekten äußern, doch das Ganze muss letztendlich demokratisch legitimiert und transparent sein.“ „Besser und qualitätsvoller“ fänden er und Stadträtin Hanna Böhm (Linke) deshalb, „wenn die Vorschläge am Runden Tisch im September mit Bürgerbeteiligung diskutiert würden“. Dabei sollte auch das Thema Gentrifizierung zur Sprache kommen.
Bezirksbeirätin Christiane Sobel (SPD) berichtete: „Über die Schließung der Lutherstraße und eine Fahrradstraße wurde bereits zweimal im Bezirksbeirat diskutiert.“ Die Schließung der Lutherstraße beim Bürgerhaus sei bereits erfolgt und jedenfalls ein Gewinn. Von einer Schließung der gesamten Straße sei dagegen nie die Rede gewesen.
Stadträtin Isabel Cademartori (SPD) hat „das Gefühl, dass sich hier ein paar Leute mit unterschiedlicher Macht anmaßen, sich mit ein paar Vorschlägen zu profilieren“. Gerade vom Grünen-Stadtrat hätte sie sich „mehr Professionalität erhofft, was seinen Standpunkt und den Prozess betrifft“. Nicht nur wenige Leute könnten entscheiden und versuchen, möglichst viele für die Fahrradstraße zu gewinnen. Die Initiative müsse ihre Vorschläge vielmehr in die legitimierten Gremien, Bezirksbeirat und Quartiermanagement, hineintragen.
Markus Sprengler, der angesprochene Grünen-Stadtrat, erwiderte, dass er von Anfang an „gegen eine Trennung zwischen Ghetto und Gentrifizierung“ gewesen sei. Er finde es „wichtig und gut“, dass alle Interessierten zum Vororttermin gekommen seien. „Entwicklung muss sein“, betonte er. Die Initiative „Westwind“ sei „ein Anstoß und erster Ansatz“ dazu.
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