Das Theater Felina-Areal ist als ein Spielort für Produktionen freier Gruppen der Bereiche Schauspiel, Musik-, Tanz- und Kindertheater, aber auch für Lesungen aller Art bekannt und beliebt. Eine offene Bühne, zu der jeder kommen kann, der sich zum Schreiben berufen fühlt, sich auch einmal Kritik stellt, ist die Reihe "Spätlese".
Den Anfang machte Rosvita Spodeck-Walter mit Gedichten über den Schnee. Ihre kleine Winterreise trug sie mit ruhiger Stimme vor, malte Bilder und reflektierte ihre Gefühle beim Anblick grau-schwarzen Himmels, jagender Wolken oder von glitzerndem Weiß. Die Schönheit des Winters contra Flucht vor Kälte.
Zum ersten Mal dabei war Simone Scholtes aus Heidelberg, eine junge Frau, die eine Begegnung am Heidelberger Bismarckplatz schilderte. "In eine Situation geraten" hatte sie ihr Stück genannt, das sie mit Mut, aber ein wenig zu schnell las. Michael Mikel Bauer, ein in der Gegend recht bekannter Autor, der auch schon oft die Spätlese bereicherte, hatte sich passend zum Jubiläum das Fahrrad vorgenommen. Drais war sein Thema, das trotz fünfter Jahreszeit nicht zur Büttenrede verkam, auch wenn sich Bauer viel Mühe gab, mit Humor zu punkten. Als alter Hase wusste er sein Publikum zu unterhalten - unter anderem mit erotischen Fantasien zum Thema Fahrtwind. Und er erzählte zwischen den Vorträgen auch ein wenig zur Genese seiner Texte.
Auch Rolf Höge ist kein Unbekannter im Felina, er erzählte in seinen beiden Prosatexten sehr emotional über Ängste. Mutig öffnete er sein Herz über den Abschied von einem Kind, in anrührenden Selbstreflexionen. Geistreich war sein humoristischer Kurzvortrag, in dem er die Plattitüden politischer Reden persiflierte.
Direkt an einen Stand auf dem Mannheimer Markt brachte Kira Schmitz die Zuhörer mit ihren Mundartgedichten. Karnevalistische Züge trug ihr in Reimen geformtes Gedicht eines typischen Mannheimer Gesellschaftsbildes. Ansichten von Mann und Frau über eine bevorstehende Verrentung des Gatten brachte die Zuschauer zum Lachen - und völlig einzigartig war zudem ihr Krimigedicht.
An die Küste Südfrankreich entführten Axel Jägers Erinnerungen "Das siebte Buch der Liebe", ein von ihm selbst illustrierter Roman. Amouröse Abenteuer unter dem tiefblauen Himmel des Midi, Badenixen am Strand - gut gelesen mit fein gewählten Worten, aber Fehlern in der Stringenz der Abläufe des Geschilderten. Eben zog einer der Protagonisten noch kraulend durch das Meer, im nächsten Moment skizziert er die Bikinidame - mit Wasserfarben? Bernd Ernting, ebenfalls kein Unbekannter im Saal, zeichnete detailreich die nicht endend wollenden Stunden in einem überfüllten Wartesaal einer Arztpraxis. Nichts entgeht ihm dabei, weder das schlecht erzogene Kind, noch die laichenden Fische im Aquarium. Was passiert im Kopf in diesen zwei Stunden, die sich wie Kaugummi in die Länge ziehen? Der Autor wurde zum Betrachter - kühl und analysierend. eig
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