Neckarstadt-Ost - Stadt und Polizei erläutern in der Bezirksbeiratssitzung die Videoüberwachung am Alten Messplatz / Projekt läuft zunächst fünf Jahre

Neckarwiese bleibt ohne Kameras

Von 
Sylvia Osthues
Lesedauer: 

„Kameraüberwachung? Mit Sicherheit eine Scheiss Idee!“ stand auf dem Transparent, mit dem die Initiative „George Orwell Ultras“ vor der Bezirksbeiratssitzung Neckarstadt-Ost gegen die Videoüberwachung am Alten Messplatz protestierte. In der Mensa der Uhlandschule erläuterten Mitglieder der Projektgruppe von Stadt und Polizeipräsidium Technik und Funktionsweise des Systems der digitalen Kameras, die letzte Woche scharf gestellt wurden (wir berichteten).

„Es handelt sich nicht um eine Videoüberwachung, wie wir sie von 2001 bis 2007 schon erfolgreich in der Innenstadt hatten, sondern wir haben uns nach einer schwierigen Abwägung von Freiheit der Bürger und Sicherheit auf einen neuen, mutigen Weg gewagt, weil wir auf die Kriminalität reagieren mussten“, erläuterte Sicherheitsdezernent Christian Specht. Durch die neue, vom Fraunhofer Institut entwickelten Technik und unter Beteiligung des Landesbeauftragten für Datenschutz, werde nun „grundrechtsschonender“ mit dem Thema umgegangen. „Es geht nicht um Gesichtserkennung oder Zuhören, sondern darum, bestimmte Verhaltensweisen zu detektieren“, so Specht. Auf die Frage von Bezirksbeirätin Stefanie Heß (Grüne), warum Videoüberwachung auf dem Alten Messplatz stattfinde, wo sich die Menschen sicher fühlten, und nicht auf der Neckarwiese, erklärte Polizeichef Thomas Köber: „Wir haben uns gegen eine Überwachung der Neckarwiese entschieden, da es eine Aufenthalts- und Freizeitfläche ist, damit die Menschen dort nicht das Gefühl haben, von einer Kamera beobachtet zu werden.“ Ebenso bewusst hätten sie sich gegen eine Überwachung der S-, T- oder U-Quadrate entschieden, da es sich um Wohngebiete handele.

Alles unter Generalverdacht?

Bezirksbeirat Hans-Georg Dech (SPD) wies darauf hin, dass es auch um den Alten Messplatz Wohnbebauung gibt. „Und auch der Alte Messplatz ist für die Bürger eine Aufenthalts- und Freizeitfläche“, erklärte Bezirksbeirat Johannes Schuler (Grüne). Er bezweifelte, dass die Kameras unterscheiden könnten, ob es sich um spielende Kinder, einen zur Bahn laufenden Menschen oder um eine Straftat handele. „Steht hier alles unter Generalverdacht?“, wollte Bezirksbeirat Tom Sauer (FDP) wissen. „Und wie lange werden die Daten gespeichert?“, fragte Carmen Fontagnier (Grüne).

Der Polizeipräsident erwiderte: „Bei der Videoüberwachung, die nach § 21, Absatz 3 Polizeigesetz erlaubt ist, geht es darum, Verhalten zu erkennen, die zu Straftaten führen.“ Das passiere automatisch über einen lernenden Algorithmus und eine Bildauswertung durch geschulte Polizeibeamte. Das ermögliche ein schnelles Eingreifen. „Daten werden 72 Stunden gespeichert und wieder gelöscht, wenn es sich um keine Straftat handelt“, so Köber. Bezirksbeirat Dennis Ulas (Linke) wandte ein, auf dem Alten Messplatz handele es sich zu 60 Prozent um Betäubungskriminalität. Diese könnten die Kameras ebenso wenig wie die 30 Prozent Taschendiebstähle definieren. Die restlichen Straftaten seien so gering, als dass sich die eine Million-Euro-Investition rechne. Außerdem sei die Zahl der Straftaten laut Polizeistatistik rückläufig. Projektleiter Klaus Pietsch erklärte, die Zahlen 2016/2017 seien zwar gegenüber 2015 zurückgegangen, doch beim Alten Messplatz handelte es sich immer noch um einen „Kriminalitätsschwerpunkt“. Wann die Kameras wieder abgeschaltet werden, wollten die Bezirksbeiräte wissen. Pietsch erwiderte: „Das Projekt ist zunächst auf fünf Jahre angelegt.“ Stadtrat Dirk Grunert (Grüne) fand: „Dass wir eine ganz normale Videoüberwachung kriegen, ist anders als der öffentliche Eindruck.“ Er warf Sicherheitsdezernent Specht „Verschleierungstechnik“ vor. Stadtrat Thomas Trüper (Linke) glaubte: „Mit Riesenaufwand wird hier Schindluder getrieben mit der Bevölkerung.“ Das Problem der subjektiven Unsicherheit werde nicht gelöst“.

Zur Debatte erklärte Sitzungsleiter Reinhold Götz (SPD): „Der Gemeinderat hat das Projekt mehrheitlich mit den Stimmen der SPD, CDU und ML beschlossen und dafür einmalig 800000 Euro zur Verfügung gestellt.“

Freie Autorin

Copyright © 2025 Mannheimer Morgen