150 Jahre Neckarstadt

Beim Friedensfest große Vision in die kleine Tat umgesetzt

Interkulturelles und interreligiöses Friedensfest auf dem Alten Meßplatz zum Abschluss der dreitägigen Jubiläumsfeier

Von 
Johannes Paesler
Lesedauer: 
Reichhaltiges kulturelles Bühnenprogramm beim Friedensfest im Rahmen von „150 Jahre Neckarstadt“: Der Violinist Ionel Chirita und sein Ensemble Promoroaca spielten Lieder und Tänze aus Rumänien. © Johannes Paesler

In Kriegszeiten kann wohl jedes Kind sagen, wann Frieden ist: wenn der Krieg aufhört. Doch ist Frieden bloß ein Nicht-Krieg? Das interkulturelle Friedensfest im Rahmen des Stadtteiljubiläums wollte andere Akzente setzen. Es wurden Friedenssprüche zitiert, Gebete gesprochen und Friedenslieder gesungen, unter anderen von Schulkindern, die dafür eigens auf die Bühne kamen. Als Vertreter der Religionen sprachen Judith Natho und Laura-Maria Knittel (evangelische Gemeinde), Gundula Müller (katholische Gemeinde), Stefan Förster (evangelisch-lutherische Gemeinde), Inas Kamran-Yilmaz (muslimische Gemeinde), Amnon Seelig (jüdische Gemeinde) und Oliver Orth (neuapostolische Gemeinde).

Kultur und Religion gleichermaßen haben jeweils große einende Kraft, aber eben auch Potenzial, um Gruppen und Gesellschaften zu spalten. So war es ein wichtiges Signal, dass einer der Vertreter der Religionen während des Friedensgebetes sagte, wenn der Glaube Menschen auseinanderbringt, sei Missbrauch im Spiel; auch Religion könne man missbrauchen.

Die Ausrichtung des dritten Jubiläumstages für die Neckarstadt geht auf den Verein KulturQuer QuerKultur zurück; die Vorsitzende Gisela Kerntke ist Teil der Initiative 150 Jahre Neckarstadt. Schon während des Friedensgebetes auf der Bühne lud Pfarrerin Laura-Maria Knittel die Kinder auf dem Platz ein, Friedensbilder zu malen. Am Kirchenstand wurde Straßenmalkreide bereitgehalten, mit der die Jüngsten unter den Gästen ihrer Vision von Frieden Ausdruck geben konnten. An vielen weiteren Ständen wurde der Friedensgedanke in die kleine Tat übersetzt. Das wurde deutlich etwa am Stand der Arbeiterwohlfahrt, wo Kinder und Erwachsene Töpfchen bemalten und dann kleine Pflanzen zum Eintopfen bereitstanden.

Friedensgruß für Zuhause

Den persönlichen Friedensgruß durfte man zur eigenen Freude mit nach Hause nehmen. Wer das zarte Gewächs nun fleißig gießt und pflegt, wird noch lange an den sonnigen Tag im Herzen der Neckarstadt erinnert. Die Klimaschutzorganisation half den Besuchern des Festes, ihren eigenen Klima-Fußabdruck herauszufinden. Mithilfe vieler farbiger „Fußabdrücke“ auf dem Boden und eines kleinen Fragebogens konnte man feststellen, wo man als Einzelner schon genug fürs Klima tut und wo man auf zu großem Fuße lebt. Viele Besucher schritten neugierig den Parcours ab. Sicher ist mancher mit einer hilfreichen Erkenntnis vom Platz gegangen.

Das Marchivum war mit einem Stand vertreten und bekam Besuch sogar von Hans-Joachim Hirsch. Der Neckarstädter Historiker hatte dieses Jahr als Beitrag zum Jubiläum das Buch „Mannheim-Neckarstadt“ herausgegeben, in dem die Geschichte des Stadtteils bis in die Nachkriegszeit dargestellt wird. Die Surfrider waren da, die jedes Jahr in zahlreichen Sammelaktionen in der Neckarstadt und darüber hinaus die Ufer von Rhein und Neckar von Müll befreien. Die Freie Interkulturelle Waldorfschule war mit einem Stand vertreten, der Migrationsbeirat informierte über seine Arbeit. Die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg war ebenfalls vertreten.

Reichhaltiges Bühnenprogramm

In einem reichhaltigen Bühnenprogramm traten Künstler und Gruppen verschiedener kultureller Herkunft auf. Der Violinist Ionel Chirita und sein Ensemble Promoroaca spielten Lieder und Tänze aus Rumänien. Mitarbeiterinnen und Teilnehmerinnen des Quizma-Projektes von Biotopia unter der Leitung von Jonka Hristova nahmen die Zuhörer mit auf eine musikalische Reise durch Bulgarien. Die Humanistischen Frauen boten romanische Tänze. Diese sind in der Türkei beliebt, aber das Volk der Roma wird dennoch auch dort diskriminiert. Hasan Dewran trug eigene Gedichte auf Zazaki, Türkisch und Deutsch vor, Andreas Rathgeber spielte dazu eigene Lieder auf dem Akkordeon.

Fröhliche Klezmer-Klänge

Die Schauspielerin Bettina Franke präsentierte Aphorismen und Gedichte des polnischen Autors Stanislaw Jerzy Lec, Laurent Leroi begleitete sie mit dem Akkordeon. Ali Ungan mit Mehmet, Jabir und Roshen spielten und sangen uralte Sufi- und volkstümliche Lieder. Das Klezmer-Quartett Heidelberg trug wundervoll fröhliche jiddische Musik vor. In einem spontanen Entschluss spielten sie ein paar Stücke zusammen mit Laurent Leroi.

Sowohl in religiöser als auch kultureller Hinsicht wurde von den Neckarstädter Aktiven beim Friedensfest Unterschiedlichkeit als Vielfalt dargestellt, alles Trennende sollte zurücktreten. Frieden ist wie ein großer Geldschein, mit dem man beim alltäglichen kleinen Einkauf nur schwer bezahlen kann. Durch das Bühnenprogramm und die Stände auf dem Platz wurde das Große in die kleine Münze umgetauscht, mit der auch der Schwächste in der Gesellschaft noch zahlungskräftig ist.

Selbst wer nur einen bescheidenen Beitrag zum Miteinander leisten kann, wird jemanden finden, der ihm darauf das Wechselgeld herausgeben kann. Die Neckarstadt feierte Geburtstag und bezog dabei alle mit ein. Jeder, der hier ankommt, wurde eingeladen, seinen Beitrag für das Gemeinsame dazuzugeben. Durch das Programm führte die Schauspielerin Monika-Margret Steger mit feinfühliger Moderation.

Copyright © 2025 Mannheimer Morgen