Neckarau. „Ich bin gerade nach Neckarau gezogen und will mich über den Stadtteil informieren“, meinte Katrin Seitz, bevor sie sich einer Führung anschloss. Einmal im Monat gibt der „Verein Geschichte Alt-Neckarau“ einen Einblick in die historischen Gebäude in der Rathausstraße. „Neckarau war eine der vermögendsten Gemeinden im Herzogtum Baden“, erläuterte der Vorsitzende Wolfgang Reinhard während des Rundganges.
Weil dazu eine repräsentative Stube gehörte, wurde 1889 ein neues Rathaus gebaut. 1895 folgte die Remise und 1896 das Badehaus. Die öffentliche Badeanstalt war bis in die 1970er Jahre in Betrieb. Jetzt gibt es hier Platz für eine ausführliche Dokumentation, die bis hin zu den römischen Wurzeln reicht.
Noch lange war im Rathausgebäude die Polizeistelle untergebracht. Davon zeugen die beiden Arrestzellen im Hof, die Reinhard scherzhaft „Ausnüchterungszellen“ nannte. Einer der Räume dient inzwischen als Werkstatt, im anderen sind eine karge Pritsche und Polizeiuniformen zu sehen.
In der ehemaligen Polizeistation steht die Verkaufstheke eines original Tante-Emma-Ladens. In den Regalen reihen sich Verpackungen von Produkten, die es schon lange nicht mehr gibt. Im Zimmer daneben hat der Verein eine Schuhmacher-Werkstatt aufgebaut. Ein Raum weiter fühlt man sich im Friseursalon mit Trockenhauben und Glätteisen in die Zeit der Dauerwelle zurückversetzt.
Wie haben Handwerker früher gearbeitet? Das zeigen im Keller die Arbeitsplätze von Schlossern, Schreinern, Elektrikern und Malern. Eine Mahnung an die Schrecken des Krieges ist der Luftschutzkeller, der mit Unterstützung von Zeitzeugen hergerichtet wurde.
„Mit viel ehrenamtlichem Engagement haben wir das Bürgerbüro umgebaut“, blickte Reinhard zurück. Der Saal beherbergt die große Schildkröt-Puppensammlung. Besonders stolz ist der Verein auf die Miniatur-Kirmeslandschaf. Hans Krall hat die Spielzeug-Karussells in jahrelanger Arbeit gebastelt. „Da hat er viel Liebe hineingesteckt“, erinnerte sich Reinhard und fügte hinzu: „Und so manchen Waschmaschinenmotor, viele Strumpfbänder und meterlange Glitzerketten.“ Das Klassenzimmer im oberen Stockwerk sei bei Jung und Alt beliebt“, berichtete der Vorsitzende. „Die Älteren erkennen sich auf den Fotos wieder und die Kinder staunen über Tafeln und Tintenfässer.“
„Die Remise war das Spritzenhaus der Freiwilligen Feuerwehr“, so Reinhard. Heute kann man hier eine umfangreiche Uhrensammlung bestaunen. „Das ist unser Glanzstück“, meinte er und wies auf einen handgefertigten Kachelofen. In der Wohnung darüber vermitteln Haushaltsgeräte einen Eindruck der Lebensumstände der vergangenen 100 Jahre. „Wir bekommen viel von Privatperson überlassen. Wenn Oma und Opa verstorben sind, wenden sich die Enkel an uns“ so Reinhard.
Im Museumscafé hatten es sich derweil mehrere Damen bei Kaffee und Kuchen bequem gemacht. „Wir treffen uns immer, wenn geöffnet ist“, erzählte die 88jährige Gerda Elm. Ingeburg Wünsche hat einen besonderen Bezug zum Museum: „Mein alter Ranzen hängt oben im Schulzimmer.“
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