Innenstadt - Aktionstag zum Thema "Alkohol" an der Eberhard-Gothein-Schule / Erschreckende Erkenntnisse über den Umgang mit der Droge

Zwei Flaschen Korn, um in der Disco cool zu sein

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Alkoholexzesse bei Jugendlichen, Komatrinker mit Vergiftungen in Krankenhäusern: Berichte, die alarmieren, und die den Arbeitskreis Drogenprobleme und Suchtprophylaxe der Stadt 2008 veranlassten, das Bundesmodellprojekt "HaLT - Hart am LimiT" in Mannheim zu starten. Jetzt fand ein Aktionstag zum Thema "Alkohol" an der Eberhard-Gothein-Schule statt.

"Ich trinke ein- bis zweimal im Monat Alkohol bevor ich in die Disco gehe, um cool zu sein", sagt Murat A. Lässig wirkt der 16-Jährige, der die Berufsfachschule für Wirtschaft besucht, als er davon erzählt. Für ihn, wie etliche seiner Mitschüler gehört es dazu, sich vor einer Party, vor dem Besuch in der Disco einige Drinks "zu gönnen", um bei den Mädchen, respektive den Jungs zu landen. Sie wollen mit Hochprozentigem schnell und effektiv gut in Stimmung kommen. Dabei werden teilweise absurde Methoden gebraucht. "Wodkagetränkte Tampons beispielsweise, damit der Alkohol schneller ins Blut geht", berichtet Tatjana Dietl. Für die Diplom-Handelslehrerin war es ein Schock, als sie davon hörte. Ein Schock, der wie eine Initialzündung wirkte und die engagierte Pädagogin veranlasste, das Projekt "HaLT", an ihrer Schule vorzustellen.

Unter Federführung des Fachbereichs Gesundheit der Stadt Mannheim haben Mitarbeiter der Fachstelle Sucht des baden-württembergischen Landesverbandes für Prävention und Rehabilitation (bwlv), der Beratungsstelle des Diakonischen Werkes und der Selbsthilfegruppe Nova Vita zusammen mit Schülern und Lehrern der Eberhard-Gothein-Schule verschiedene Stationen und Aktionen vorbereitet, um die Jugendlichen auf die Gefahren und Suchtpotenziale des Alkohols hinzuweisen.

Auswüchse will eigentlich keiner

Inge Baumgart vom Diakonischen Werk betreut die Station "Wer ist Wer". Hier sollen die Schüler durch Fragen herausfinden, welcher von drei vorgestellten Personen, ein Alkoholproblem hatte. Einen Ansturm gibt es bei der Station "Rauschbrillen" auf dem Schulhof. Mit diesen Brillen, die eine Sicht, wie mit einem Alkoholgehalt von 0,8 bis 1,5 Promille suggerieren, sollen die Schüler einen Hindernisparcours absolvieren. "Mir ist total schwindelig, ich konnte überhaupt nichts sehen", bemerkt Sabine S., die eine Ausbildung zur Rechtsanwaltsfachangestellten macht: "Ich trinke ja auch fast keinen Alkohol." Anders Markus L. Er ist ebenfalls an der Berufsfachschule für Wirtschaft. Zwei Flaschen Korn am Wochenende, und einen Sechserpack Bier zwischendurch gehörten für ihn schon dazu, gesteht der sympathische junge Mann, der beteuert, nicht vom Alkohol abhängig zu sein.

"Eigentlich möchten die Jugendlichen nicht, dass diese Auswüchse geschehen" sagt Astrid Zapf-Freudenberg von der bwlv. Aber Jugendliche erlebten durch Alkohol einen Gruppenzusammenhalt. Da werde dann gewetteifert, wer denn "das meiste geschafft habe." Die Sozialarbeiterin ärgert sich darüber, dass sogenannte Flatrate-Partys, bei denen alkoholische Getränke ohne Begrenzung der Menge zu einem Pauschalpreis ausgeschenkt werden, nicht verboten sind. Ein Ärgernis ist für sie auch die Alkoholwerbung. Sie ist Thema der Station "Images - Mach Dir ein Bild". Die Jugendlichen können sich hier über die Tricks der Werbung informieren. "Die Einnahmen durch die Steuern auf Alkohol decken bei weitem nicht die Kosten, die durch Alkoholismus entstehen und unser Sozialsystem belasten", kommentiert Zapf-Freudenberg: "Wir haben mittlerweile unter den 24-Jährigen die ersten Alkoholiker." Auch das Einstiegsalter werde immer geringer, so die Suchtberaterin, die hofft, dass solche Projekte wie "HaLT" einen positiven Einfluss auf die jungen Menschen haben. bh

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