Mannheim. Werden Bewohner aus dem Jungbusch verdrängt, weil sie gestiegene Mieten nicht mehr bezahlen können? Die SPD ist davon überzeugt und hat im Gemeinderat einen Antrag für die Erstellung einer Erhaltungssatzung (sogenannte Milieuschutzsatzung) für den Stadtteil gestellt. Doch das städtebauliche Instrument ist umstritten, 2018 hatte die Stadt einen ähnlichen Antrag von Bündnis 90/Die Grünen für das Hafenviertel abgelehnt.
Stadtteil besondern betroffen
Die Stadt hielt jedenfalls damals eine Erhaltungssatzung (§ 172 Baugesetzbuch) nicht für das geeignete Instrument, die Zusammensetzung der Wohnbevölkerung in dem Hafenviertel zu garantieren. die Grünen hatten ein solches Vorgehen beantragt, um die vor Ort immer wieder beklagte Gentrifizierung (Verdrängung einkommensschwacher Gruppen) zu stoppen.
Erhaltungssatzung nach Baugesetzbuch
Eine so genannte Milieuschutzsatzung ist eine Erhaltungssatzung nach Pragraph 172, Abs. 1, Nr. 2 Baugesetzbuch (BauGB).
Eine solche Satzung kann durch eine Stadt oder Gemeinde erlassen werden. Sie dient dem Erhalt der städtebaulichen Eigenart eines Gebiets aufgrund seiner städtebaulichen Gestalt.
Dabei gibt es einen Unterschied zwischen Satzungen, die den Erhalt meist alter Bausubstanz zum Ziel haben und sozialer Steuerung, die auf den Erhalt der Bevölkerung abzielt.
Der Milieuschutz soll die angestammte Wohnbevölkerung in dem jeweiligen Gebiet vor Verdrängung schützen. Milieuschutzverordnungen gehören zu den sozialen Erhaltungsverordnungen.
Für Rückbau, Änderungen oder Nutzungsänderungen muss eine Genehmigung beantragt werden (nicht bei Neubau). Bei Umbauten muss nicht nur die Baugenehmigung vorliegen, sondern auch der Milieuschutz beachtet werden.
Fast alle Städte in Deutschland machen von dem Instrument Gebrauch. In Berlin gibt es 20 solcher Quartiere. In München wohnt etwa bereits jeder vierte Einwohner in einem Viertel, für das eine Erhaltungssatzung gilt.
„Trotz vieler Bemühungen und Initiativen gibt es Stadtteile, in denen die Mietpreise stark steigen“, teilt der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende und wohnungspolitische Sprecher Reinhold Götz jetzt mit. Der Jungbusch sei hier besonders betroffen. Viele alteingesessene Anwohner und Anwohnerinnen könnten sich die Mieten nicht mehr leisten und müssten ihren Stadtteil verlassen.
„Eine gute Mischung zwischen wünschenswerten Renovierungen, gerechten Mietpreisen und einem angemessenen Umgang mit Mieterinnen und Mietern ist oftmals kaum zu finden. Viel zu oft werden Wohnungen luxussaniert und die Mieten danach stark erhöht“, ergänzt die stellvertretende Fraktionsvorsitzende und Stadträtin für den Jungbusch Isabel Cademartori. Milieuschutzsatzungen würden helfen, so glaubt sie, diese Entwicklung zu stoppen, die bestehenden Sozialstrukturen zu erhalten und die Mietpreisentwicklung einzudämmen. Deshalb sei es wichtig, dass der Stadtverwaltung für den Jungbusch diese Möglichkeit zur Verfügung stehe.
Städtebauliches Instrument
Im Rathaus sah man das 2018 anders, erkannte „keine belegbaren Anzeichen für eine aktive Verdrängung von einkommensschwächeren Mieterinnen und Mietern aus dem Quartier“ und verwies auf die Zahl der Wohnungen der stadteigenen Wohnungsbaugesellschaft GBG. Eine Erhaltungssatzung bezeichnete ein Behördenleiter daher als „das falsche Instrument“, um den Stadtteil weiter zu entwickeln. Die Aufwertung des einstigen Rotlichtviertels hat sich die Kommune immerhin seit den 1990er-Jahre auf die Fahne geschrieben.
Die soziale Erhaltungssatzung (sogenannte Milieuschutzsatzung) ist ein städtebauliches Instrument, das die Zusammensetzung der gebietsansässigen Wohnbevölkerung schützen soll. Das Instrument bietet keinen Schutz einzelner Mieterinnen und Mieter, sondern sichert den vorhandenen Wohnungsbestand. Das heißt: Eigentümer, deren Gebäude im Gebiet einer solchen Milieuschutzsatzung liegt, haben neben den bauplanungs- und bauordnungsrechtlichen Vorschriften zusätzlich die Bestimmungen der Milieuschutzsatzung zu beachten. Bauliche Maßnahmen, die zu einer Veränderung der Wohnfläche führen, die Wohnungsstruktur verändern (beispielsweise Grundrissänderungen, Zusammenlegen von Wohnungen), sowie Modernisierungsmaßnahmen (beispielsweise der Einbau eines Aufzugs, Anbau eines Balkons, Modernisierung des Badezimmers) unterliegen einem Genehmigungsvorbehalt.
Soziale Verhältnisse zementiert
Kritiker bemängeln daher, dass Investitionen gerade in den Vierteln verhindert würden, in denen dringend Wohnungen um- und neu gebaut werden müssten. Mit einer solchen Politik würden soziale Verhältnisse zementiert und die Quartiere nicht weiterentwickelt.
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