Fließende Bewegungen im Dunkeln, Stimmen aus dem Off. Junge Menschen mit sehr viel Mut und Talent führen ein Stück auf, das gewöhnungsbedürftig ist und den Zuschauer zwingt, genau zuzuhören. Die Stille im Theaterraum von zeitraumexit bewies, wie gefangen die Premierengäste waren, wie gebannt sie Texten lauschten, die in nur vier Wochen entstanden waren.
Die „WirGeschichten“ war die Abschlussperformance der vierten Bespielung der Artfremden Einrichtung der Galerie. Nach zehn Jahren gemeinnütziger Kulturarbeit im Jungbusch hatte man sich im vergangenen Herbst zum Jubiläum auf seine Wurzeln zurückbesonnen und sich ein Projekt überlegt, dass der Allgemeinheit dienen, eine Allmende für kreatives Schaffen in der Nachbarschaft darstellen sollte.
Daher öffneten sich die Räume in der Hafenstraße für alle, ob zeitraumexit nun für Kampagnenbüros, Start-Ups, Kunstprojekte, ein Friseursalon, Werkstatt, Vereinsheim oder Tanzteeveranstaltung die Nährmutter wurde – die Bedingungen waren für alle gleich. Unterstützung gab und gibt es noch bis Juni durch das Team, vier Wochen Zeit, und die Allgemeinheit entscheidet demokratisch, welcher Bewerber das Rennen macht. Im Februar dann nahm der Schreibworkshop „WirGeschichten“ Fahrt auf. Nach einer Woche offenem „Writing Room“ wurde bei der „Write Night“ eine Dialoggeschichte entwickelt und den Charakteren in einer Brainstorming-Runde Schärfe verliehen. Plakate entstanden, die, aufgehängt im Raum späteren Schreibern Inspiration und Orientierung liefern sollten.
Besucher als Mitautoren
So wurde zeitraumexit schließlich zu einer Art kollektivem Findungsraum: Einem Raum, an dem eine gemeinsame Geschichte geschrieben wurde. Den Mittelpunkt bildete dabei ein öffentlich zugänglicher Computer, an dem die Besucher ihren Teil zu der sich stetig fortentwickelnden Geschichte beitragen konnten.
Dann endlich wurde für die Abschlussperformance geprobt und das Stück auf die Bühne gebracht. Zuvor war Ende Februar in der „Stage-Design-Night“ ein Requisitenkonzept erstellt sowie Kartons bemalt und zu einem Bühnenbild verarbeitet worden.
Die beiden Schüler Tristan Ludwig und Ron Vodovozov führten die Regie eines inszenierten Dialogs über das Thema Veränderungen, die alte Auseinandersetzung mit dem Deus-ex-machina, des Zauberlehrlings, was macht die Technik mit dem Menschen, wenn sie ihn beherrscht? Vier Schauspieler, Marie Brilla, Nelly Graf, Marleen Greiner und Benjamin Mittler, stellten mit viel Körper- und Geistesbeherrschung ihre Konfrontation mit modernen Molochen wie der Einsatz künstlicher Intelligenz dar. Diskussionen in der Öffentlichkeit – sprich auch Allgemeinheit – zu Phänomen wie Alexa, Sinus etc. klingen an. Was ist Realität, wann wird sie zur Simulation oder ist es schon lange umgekehrt?
Mit einer ganzen Menge Engagement überzeugten die vier Gymnasiasten von ihrem Bühnentalent und erhielten berechtigterweise für ihre gekonnte Umsetzung eines sehr schwierigen Themas viel Applaus, etliche „Vorhänge“ inklusive.
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