1053 milchig-weiße Würfel mit geschliffenen, runden Ecken zu einem großen Quader zusammengesetzt: Dieses Mahnmal von Künstler Michael Volkmer soll an die Mannheimer Opfer der Zwangssterilisationen im Nationalsozialismus erinnern. Nun steht es vor dem Gesundheitsamt in der Innenstadt. Doch das Mahnmal ist keine gewöhnliche Skulptur, die an einem Ort verwurzelt ist, sondern sie wandert. Jedes Jahr wird sie vor einer anderen Institution aufgestellt, die an der Entscheidung und Durchführung von Zwangssterilisationen beteiligt war: das Amtsgericht, das Universitätsklinikum, das Diakonissenkrankenhaus und nun der Fachbereich Gesundheit im Gesundheitsamt.
Vor etwa 80 Jahren wurde in Mannheim auf Grundlage des ersten NS-Rassengesetztes das sogenannte "Erbgesundheitsgericht" eingerichtet, das für die Anordnung von mehr als 1000 Zwangssterilisationen verantwortlich war. Auch die Gesundheitsämter waren aktiv daran beteiligt.
"Sie haben für die Einweisungen in Klinken zur Sterilisation gesorgt, haben Untersuchungen durchgeführt, Gutachten ausgestellt und Eheberatungen auf Basis der NS-Rassengesetzte angeboten", erklärt Peter Schäfer, Leiter des Fachbereichs Gesundheit. "Damit haben sie die Grundlage für die Umsetzung einer menschenverachtenden Ideologie gelegt." Schäfers Rede lauschen etwa 150 Gäste beim Festakt für die Mahnmalübergabe in der Aula der Eberhard-Gothein-Schule.
Viele Schüler sind darunter, die sich in den letzten Jahren intensiv mit dem Thema Zwangssterilisation beschäftigt haben oder die sich dem Thema auf ihre ganz eigene Weise annähern wollen. Denn das mobile Mahnmal wird von einem pädagogischen Konzept begleitet: Mit jedem Ortswechsel übernimmt eine andere Schule die Patenschaft für die Skulptur. In diesem Jahr ist die Eberhard-Gothein-Schule gemeinsam mit der Max-Hachenburg-Schule am Zug. Studienrätin Tatjana Dietl von der Eberhard-Gothein-Schule sieht darin eine große Chance: "Mit dem Begriff Zwangssterilisation können die Schülerinnen und Schüler wenig anfangen. Aber indem sie sich in einzelne Schicksale hineinversetzen, lernen sie Empathie und Sensibilität".
Gegen Rechtsruck
Die Erinnerung aufrechterhalten - das möchte auch der Arbeitskreis Justiz und Geschichte des Nationalsozialismus. Für den Festakt haben die ehrenamtlichen Mitglieder eine szenische Lesung mit dem Titel "Die Unfruchtbarmacher" vorbereitet, mit der sie Schicksale dreier Sterilisierungsopfer mit Zitaten und Urteilstexten nachspielten. Für den 16-jährigen Lukas Nägele war die Inszenierung eindrucksvoll: "Am meisten hat mich erschüttert, dass auch 1961 viele Menschen weiterhin davon überzeugt waren, dass Zwangssterilisationen keine politisch motivierte Tat waren. Ich finde es sehr wichtig, dass wir Schüler darauf aufmerksam machen", sagte er.
Dass das Mahnmal in den Quadraten nicht nur ein Stolperstein über die Vergangenheit darstellt, sondern auch in der Gegenwart zum Nachdenken anregen soll, unterstreicht Ulrike Freundlieb, Bürgermeisterin für Bildung, Jugend, Gesundheit und Sport: "Wir sollten uns dieser Tatsache heute besonders bewusst sein und uns mit besonderer Intensität der Auseinandersetzung um Populismus und einen deutlich vernehmbaren Rechtstruck stellen", sagte sie und appellierte an die Jugend als "Garant dafür, dass solche Taten, die Rechtsstaatlichkeit vorgaukeln, nicht mehr passieren."
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