Innenstadt

Kurdischer Autor Bachtyar Ali präsentiert Golfkriegs-Roman in Mannheim-Innenstadt

Realistisch, fantastisch und vor allem verblüffend aktuell. Das ist der in deutcher Übersetzung erschienene Roman Bachtyar Alis über den Krieg am persischen Golf, den er im Mannheimer Stadtteil Innenstadt vorstellte.

Von 
Katja Geiler
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Gerwig Epkes und Bachtyar Ali (v.l.) im Dalberghaus. © Katja Geiler

Obwohl Bachtyar Alis Roman „Mein Onkel, den der Wind mitnahm“ im Jahre 2010 geschrieben wurde und im Ersten Golfkrieg (1980 bis 1988) spielt, wirkt er verblüffend aktuell. Aus dem Sorani, einer kurdischen Sprache, die im Iran und Irak gesprochen wird, wurde das Buch allerdings erst 2021 ins Deutsche übersetzt. Im Dalberghaus fand nun eine Lesung der Stadtbibliothek statt, bei der der Autor von Boris Koneczny, einem Ensemblemitglied des Nationaltheaters, aus seinem Buch vorlesen ließ. Moderiert wurde die Lesung von SWR-Redakteur Gerwig Epkes.

Realistisch und fantastisch

Ein anderes Werk von Ali, „Der letzte Granatapfel“ von 2002 bedeutete den Durchbruch auf dem deutschen Buchmarkt, der Roman gilt als der erste ins Deutsche übersetzte kurdisch-irakische Roman. Er erschien allerdings erst 2016, ein Jahr später erhielt der Autor den Nelly-Sachs-Preis. „Mein Onkel, den der Wind mitnahm“ ist einerseits realistisch, andererseits ist er voller fantastischer Elemente.

Djamschid Khan, der Protagonist des Romans, wird als 17-Jähriger 1979 von Anhängern des Regimes verhaftet, weil er Kommunist ist. Der Grund, warum er es einst geworden ist, könnte harmloser nicht sein, er hatte Sehnsucht nach einer Gesellschaft mit freier Liebe. Djamschid landet in einem Gefängnis im Nord-Irak, wo er gefoltert und ausgehungert wird. Da er leicht und durchscheinend ist wie ein Stück Papier, hat er die Fähigkeit, fliegen zu können. Damit er nicht davonfliegt, sichern ihn seine Neffen Salar und Smail an einem Seil.

Ali selbst (Jahrgang 1966) geriet in den 80er Jahren mit der Regierung des damaligen Diktators Saddam Hussein in Konflikt. Er brach sein Geologiestudium ab und widmete sich der Literatur. Seit Mitte der 90er Jahre lebt er in Deutschland. „Das Buch ist leider sehr aktuell“, sagte Ali im Hinblick auf den Ukraine-Krieg. „Das Buch ist traurig, aber andererseits sehr humorvoll. Mir ist Kafka eingefallen, Der Prozess“, meinte Moderator Epkes. „Der Einfluss von Franz Kafka ist sehr groß, Kafka war in der arabischen und persischen Welt sehr bekannt, wurde viel gelesen“, antwortete Ali. „In jedem meiner Bücher spielt ein Retter mit, in diesem ist es Salar, der Neffe, der das Seil hält.“

Der fliegende Kurde

Doch es bleibt nicht bei den fantastischen Flügen des Onkels. Das Verteidigungsministerium entdeckt seine Fähigkeit, zu fliegen, und so wird er im Krieg gegen seinen Willen als Späher gegen den Iran eingesetzt.

Dass er „Der fliegende Kurde“ genannt wird, klingt amüsant inmitten der heiklen Situation. Doch das ist nicht die letzte Station im teils traurigen, fantastischen Leben von Djamschid Khan. Er wird später ein fliegender Prediger, der freitags im Luftraum der Zwei-Kuppel-Moschee umherschwebt. „Mein Onkel, den der Wind mitnahm“ erschien 2021 im Unionsverlag. Aus dem Kurdischen (Sorani) wurde der Roman übersetzt von Ute Cantera-Lang und Rawezh Salim.

Freie Autorin Ich schreibe für alle Mannheimer Stadtteile und für Viernheim

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