Mannheim. „Ihr müsst den Müll in die Mülleimer werfen!“ ruft der 12-jährige Müslüm laut durch die Quadrate und meint damit alle Bewohner, die ihren Müll irgendwo auf dem Platz verstreut haben. Obwohl er das Müllsammeln im Nachhinein „so gut“ findet, frustriert ihn der viele Müll in der Mannheimer Innenstadt.
Am Freitag gingen die Kinder des offenen Jugendtreffs „Café Mint“ gemeinsam durch die Stadt und füllten Müllsäcke, die von der Mannheimer „Putz-deine Stadt raus“-Aktion übrig geblieben waren. Nachdem sie beim letzten Mal so interessante Dinge wie einen Tierschädel im Neckar gefunden hatten, haben die Kinder sich eine weitere Müllsammelaktion gewünscht.
Der Nachmittag startete mit einem halbstündigen Ankommen und freien Spielen. Anschließend hatten die Mitarbeiter ein kleines Schauspiel zum Thema Müll vorbereitet.
Ins Netzwerk "offene Jugendarbeit" eingebunden
Der Jugendtreff ist in das Netzwerk „offene Jugendarbeit“ in Mannheim eingebunden, hat also aktuell nur an Freitagen ein festgelegtes Programm. Die restliche Zeit stehen für die Besucher verschiedene Angebote in 6 Räumen bereit. Es gibt eine kleine Turnhalle und einen Fitnessraum, Billard, Tischkicker, Musikinstrumente, Sofas und echte Kinosessel, die 2023 aus dem Cineplex ausgebaut werden durften, als dieses schließen musste.
Im Café Mint gibt es kaum eine ruhige Minute und auch Streitereien bleiben nicht aus, aber die Kinder haben schon eine halbe Stunde vor der Öffnung um 14 Uhr auf diese für sie besondere Zeit gewartet. Und der pädagogischen Leiterin Sandra Gössl ist wichtig, dass es im Café Mint keinen Widerspruch darstellt, Kindern gleichzeitig Grenzen zu zeigen und ihnen mit Liebe und Annahme zu begegnen.
Mit ihrem Ansatz konnten die Verantwortlichen bereits das Interesse von Lars Castellucci (SPD, MdB), Dirk Grunert (Grüne), Mannheims Bildungsbürgermeister, und Thorsten Riehle (SPD), dem Bürgermeister für Wirtschaft, Arbeit, Soziales und Kultur, gewinnen, die das Café Mint in den letzten Monaten besuchten. Nach dem Müllsammeln freuen sich die Kinder schon darauf, nochmal eine halbe Stunde Fußball zu spielen und zu orientalischer Musik zu trommeln und zu tanzen.
Vier von fünf Kindern sind türkische Bulgaren
Vier von fünf der Kinder und Jugendlichen, die regelmäßig kommen, sind türkische Bulgaren, der Rest setzt sich aus unterschiedlichen Nationalitäten zusammen. Türkische Bulgaren haben eine komplexe und umstrittene Kulturgeschichte. Ihre Vorfahren kamen mit der Ausbreitung des osmanischen Reichs nach Bulgarien und hatten dort anfangs als Besatzer mehr Macht als die sonstige Bevölkerung. Im Laufe der Jahrhunderte erlebten sie jedoch mehrere Wellen der starken Unterdrückung bis hin zur verpflichtenden Änderung ihrer türkischen Namen unter Androhung von Gewalt. Deshalb wanderten viele in die Türkei oder nach Westeuropa aus und gehören heute zu den 389.000 Menschen mit bulgarischer Staatsbürgerschaft in Deutschland.
„Mathe ist gut, aber Deutsch ist schwer“, meint Nephsat, während er mit seiner Müllzange eine Plastiktüte aufhebt. Die „Förderung der Kinder und Jugendlichen bezüglich ihrer Sprachkenntnisse, Bildungschancen, Zukunftshoffnungen, ihres sozialen Verhaltens, Verantwortlichkeit und Beteiligung“ sieht der Jugendtreff als Teil seines Aufgabenspektrums. Am Ende des Nachmittags wird noch gemeinsam ein Glas türkischer Tee getrunken und die Kinder kündigen an, nach dem Wochenende wiederzukommen.
Förderungsgrund fällt ab Januar wahrscheinlich weg
Das Café Mint wird im laufenden Jahr mit 15.000 Euro zu einem bedeutenden Teil aus dem Integrationsfonds der Stadt Mannheim finanziert, der Integrationsprozesse aus Osteuropa unterstützen soll. Da dieser jedoch nur auf kurzfristige Projekte ausgelegt ist und der Jugendtreff inzwischen als etabliert gilt, wird die Zuständigkeit ab Januar wahrscheinlich der Stadt zufallen. Diese finanziert die Arbeit mit aktuell einer Hauptamtlichen und 10 Ehrenamtlichen nicht kostendeckend, sodass der Trägerverein CVJM zusätzlich unterstützt. Außerdem wirbt Sandra Gössl darum, dass Verantwortliche die Bedeutung der Arbeit anerkennen. „Es ist nicht nur ein Spielplatz“, sagt sie, „Die Kinder brauchen den Ort, wo sie groß werden, ermutigt werden und ein soziales Miteinander erleben. Hier haben die Kinder auch Vertrauenspersonen und bekommen persönliche und schulische Hilfe“
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