Innenstadt - Ausverkaufte Premiere im Ursulinen-Gymnasium / Zuschauer von Aufführung und Bühnenbild begeistert

Die "Räuber" in modernem Gewand

Von 
Katharina Unkelbach
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Karl Moor (Thilo Dieing), eine Art Robin Hood der Neuzeit, und seine Räuberbande radikaler Idealisten rütteln die Zuschauer bei der Premiere von "Räuber Reloaded" ganz schön auf.

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235 Jahre nach Friedrich Schillers Uraufführung des Dramas "Die Räuber" in Mannheim zeigt nun die Theater AG "Ratatouille" des Ursulinengymnasiums das Drama in neuem und hochmodernem musikalischem Gewand.

Der Raum ist mit rund 150 Zuschauern voll, die Karten für die Premiere des Stücks "Räuber Reloaded" (geschrieben von Bernd Kohn und Sabine Scholz, Cantus Verlag Eschach) sind ausverkauft. Das Publikum ist überwältigt angesichts der eindringlich emotionalen und aufrüttelnden Inszenierung. Es ist ein Drama, das uns alle angeht und bewegt: "Träume aus der Kindheit" singen die Schauspieler während auf der Leinwand Bilder vergangener Tage vorbeiziehen. Die Regisseure Alexander Putzier und Anne Schommer sind begeistert von Schauspiel und Gesang ihrer Schüler.

Robin Hood der Neuzeit

Das Stück zeigt die Brüder Karl (Thilo Dieing) und Franz Moor (Jannik Sulger), die gegensätzlicher nicht sein könnten: Karl, ein Robin Hood der Neuzeit, ähnelt mit seinem weißen Hemd und der Nerdbrille dem Hipster der Neuzeit, er ist Hausbesetzer und rebelliert gegen seinen Vater, Maximilian Moor (Alexander Nedin), der die kapitalistische Gesellschaft und das schnöde Spießertum verkörpert. Franz, der ewig zu kurz gekommene, ungeliebte ältere Sohn, will sich endlich das holen, was ihm zusteht: Macht, Reichtum und Amelie, die jedoch seinen Bruder liebt. Er ist komplett in schwarz gekleidet, der einzige Farbtupfer ist ein rotes Tuch, das aus dem Jackett ragt. Jannik Sulgerer verkörpert nicht nur äußerlich, sondern vor allem durch seine bestechende schauspielerische Leistung den Sadisten, Zyniker und instrumentellen Rationalisten: "Kalt muss man sein. Kalt bis aufs Herz". Um seine Ziele zu erreichen, versucht er seinen eigenen Vater zu vergiften und seinen Bruder zu beseitigen.

Hinter Karl jedoch steht eine Räuberbande zahlreicher blutiger Idealisten, die den Kapitalismus radikal ablehnen. "Beförderung, Broteinheit, Betablocker oder Sport Coupé" sind für sie nichts als kapitalistische und spießige Statussymbole. Sie tragen Joggingoutfits oder zerrissene schwarze Jeans, allzeit mit Bierflasche in der Hand, tragen große Kreise schwarzen Lidschattens um die Augen und das Messer ist allzeit bereit zum Einsatz. Bereit für den nächsten Raub, dessen Beute ganz lässig-unspießig in der Lidl Gefriertüte landet. Sie bringen durch ihre fordernd aggressiven Sprünge nicht nur die Bühne, sondern auch das Publikum zum Leben. Mehrmals streift die Räuberbande zwischen den Zuschauern umher, kapert das Orchester und kommt den Zuschauern ganz nah, als wollten sie fragen: Wisst ihr eigentlich, wer ihr seid? Idealist, Kapitalist, ein Nichts?

"Räuber Reloaded" fasziniert durch das beeindruckende Zusammenspiel von Schulband (Leitung Moritz Loewen), der A-Capella-Band "Volume", überzeugendem Schauspiel und modern-aufrüttelndem Bühnenbild. Laut, düster und eindringlich dröhnt die Musik und verleiht den Forderungen der Räuberbande etwas Hypnotisches "Ich will laut sein und nicht leis. Scheiß auf diesen Spießerscheiß". Auch das Bühnenbild ist vielmehr als nur ein Bild: Groteske Fratzen von Monstern mit neongelben, orangenen und schwarzen Tönen gezeichnet, stehen in krassem Kontrast zu den feinbürgerlich angereihten Kinderbildern im Zentrum. Es sind reale Fotografien der jungen Schauspieler auf der Bühne. Bilder, die von tatsächlichen Sehnsüchten, Träumen und Enttäuschungen erzählen. Die Räuberbande lässt Raum und Bühne durch ihr wildes Stampfen beben, sie rütteln die Zuschauer auf, bedrängen sie mit Fragen - "Räuber Reloaded" verkörpert die (literarische) Epoche des Sturm und Drang in Perfektion. Am Ende stirbt der alte Moor, Franz vergiftet sich selbst, und Karl verzweifelt, da die Räuberbande ihn zwang, seine Geliebte Amelie zu töten. Kapitalismus und Idealismus gehen unter. Verbleibt nur noch die Frage: (Für was) lohnt es sich überhaupt zu kämpfen?

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