Schauspiel - Karlsruher Staatsbühne zu Gast im Pfalzbau

Wo die Hoffnung beginnt

Von 
Bettina Henkelmann
Lesedauer: 
Szene aus dem Gastspiel im Pfalzbau in Ludwigshafen. © Felix Gruenschloss

„Hier beginnt alles neu, hier beginnt die Hoffnung“, sagt Europa. Es ist ein(e) Europa mit hehren Zielen. Doch wie die Geschichte und auch Miroslava Svolikovas dramatisches Gedicht „Europa flieht nach Europa“ zeigen, klaffen Anspruch und Wirklichkeit oft auseinander. Europa wird immer wieder mit dem Machbaren konfrontiert und auch schuldig. „Eine Frau in einer schwierigen Situation“, heißt deshalb auch der Untertitel des Stücks, das das Badische Staatstheater Karlsruhe jetzt im Theater im Pfalzbau zeigte.

Angelehnt an die Gestalt aus der griechischen Mythologie ist Europa hier aber nicht Opfer des Zeus, der sich in einen Stier verwandelt hat. Willensstark packt sie das Tier, das sie entführt hat, bei den sprichwörtlichen Hörnern und ersticht es mit einem Haar. In der Aufführung sind es fünf als Toreros kostümierte Schauspieler, die einer als Stier fungierenden schwarzen französischen Bulldogge symbolisch den Garaus machen. Doch keine Angst: dem Vierbeiner geschieht nichts.

Gerechtigkeit für alle

Selbstbewusst will Europa einen Kontinent erschaffen, in dem es Gerechtigkeit für alle gibt und der „nicht in Blut getränkt“ ist. „Dieser Ort wird nicht aufgebaut werden auf dem Recht des Stärkeren, auf dem Prinzip, dass man sich nimmt, was man will“, spricht Darstellerin Antonia Mohr über diese Vision. Doch immer wieder ist die Realität eine andere. „Gerechtigkeit für alle, prinzipiell für alle, schrittweise für alle“, schwächt Claudia Hübschmann ab. Und Heisam Abbas, der zunächst unter seinem Rock „Zitzen für jeden“ hat, stellt fest, dass er nicht alle an seinen Brüsten säugen kann.

Die Metaphern und Bilder, die Miroslava Svolikova gebraucht, indem sie den antiken Mythos mit der Kontinental- und Ideengeschichte Europas verwebt, faszinieren. Regisseurin Alia Luque ist mit ihren Schauspielern – neben den bereits Genannten sind dies Thomas Prenn und Sonja Viegener – eine eindrückliche, mit Ironie gespickte Inszenierung gelungen.

Freie Autorin Freie Journalistin. Beim MM tätig für die Lokalredaktion, Kulturredaktion und die Stadtteilseiten Mannheim-Mitte.

Copyright © 2025 Mannheimer Morgen