Ludwigshafen. Nach 18 Jahren ist für das Urgestein Schluss in der Rohrlachstube. „Leider geht es nun in den Ruhestand “, sagt Jürgen Rothenberger, Leiter der Anlaufstelle für obdach- und wohnsitzlose Menschen in der Ludwigshafener Rohrlachstraße, an seinem letzen Arbeitstag am Mittwoch im Gespräch mit dieser Redaktion. Seit 1. September 2004 hat Rothenberger die Einrichtung geprägt. Für ihn, der immer mit vollem Herzen dabei war, sei es mehr als nur ein Job gewesen. Rothenberger war eine Art Lebensbetreuer für die Menschen, die den Tagestreff regelmäßig aufsuchen.
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Eine von ihnen ist Brigitte. Bereits 15 Jahre kennt sie Rothenberger von ihren Besuchen in der Rohrlachstube. „Er ist wie ein Papa“, sagt sie. Jessica schlägt in die gleiche Kerbe: „Er ist so ein herzensguter Mensch. So hilfsbereit. Bei Problemen kann man immer zu ihm kommen.“ Und genau darum ging es Rothenberger: „Ich habe meine Arbeit immer so gesehen, dass ich für die Menschen da bin.“ Seine Arbeit ging also nicht nur von 9 bis 17 Uhr. Auch außerhalb der Öffnungszeiten der Einrichtung kümmerte er sich um die Menschen. Sei es für Umzüge, Arztbesuche oder, um bei Amtsgängen zu helfen.
Anfangs sei Rothenberger, der vorher Verkäufer für Elektrogeräte war, ins kalte Wasser geworfen worden. Mit einem Jahresvertrag begann er seine Arbeit in der Rohrlachtube. Schnell habe er gemerkt, dass Berührungsängste fehl am Platz sind: „Eine Kontaktallergie darf man nicht haben“, sagt er. Aber er hat sich Stück für Stück reingearbeitet.
„Das sind ganz tolle Leute hier“
Anfangs sei er noch in „Habachtstellung“ gewesen. Seine Grenzen seien mehrmals ausgetestet worden. Die Klientel sei eine andere, als es bei seiner vorherigen Arbeit der Fall war. „Zusammengerechnet sitzen hier schon mal zehn bis 15 Jahre Haft“, erläutert Rothenberger. Doch schnell habe er gemerkt: „Man steckt tiefer drin in der Sache.“ Schließlich wurde es eine Herzensangelegenheit. So lernte er die Menschen zu schätzen. „Das sind ganz tolle Leute hier.“ Sie hätten halt nur einen anderen Lebensstil. „Ich bin eingeschritten, bei denen, die es gebraucht haben“, so Rothenberger. Ansonsten galt: „Ich habe mir zu Aufgabe gemacht, ich behandele jeden gleich schlecht“, witzelt er. Auch der Spaß sei nie zu kurz gekommen „Ich bin dankbar für die Arbeit“, betont Rothenberger.
Der 65-Jährige hätte bereits vor etwa zwei Jahren in Rente gehen könen. Doch auch in der Pandemie hat er weitergemacht. Das Tagesgeschäft wickelte er am Fenster ab. „Ich konnte ja kein Homeoffice machen.“ Also konnten die Leute weiter bei der Rohrlachstube für ihre Anliegen vorbeischauen und sich Rat oder Hilfe bei Rothenberger holen.
Nach Beendigung der Corona-Maßnahmen führte er die Einrichtung wieder von seinem Schreibtisch aus, der in einer kleinen Küche steht, wo sich auch eine Waschmaschine und ein Trockner befinden. In normalen Zeiten suchen über den Tag verteilt acht bis zehn Leute die Anlaufstelle auf, im Winter auch mal 20 bis 25. Hier können sie nicht nur eine Kleinigkeit essen und trinken, verweilen oder die Wäsche waschen. Es besteht auch die Möglichkeit zum Duschen. Zudem bietet der Treff eine Kleiderkammer.
Pfarrerin Kerstin Bartels von der Jona Kirchengemeinde, die Trägerin der Einrichtung ist, spricht von einer „Arbeit im Verborgenen“, die Rothenberger geleistet habe. „Manchmal stellt man erst fest, was man hat, wenn einer geht“, ergänzt sie. Rothenbergers Abgang sei „ein großer Verlust“. Er habe sich immer um die Probleme der Menschen gekümmert. „Das werde ich am meisten vermissen“, sagt Rothenberger.
Einrichtung schließt vorerst
So lange noch kein Nachfolger für Rothenberger gefunden ist, muss die Rohrlachstube vorerst schließen. Man wolle versuchen, dass die Menschen wenigstens zum Wäschewaschen oder Duschen vorbeikommen können, betont Bartels. Für Rothenberger sind die Qualifikationen, die sein Nachfolger braucht, klar: „Da bräuchte es einen Elefanten. Also eine dicke Haut, ein Riesengedächtnis und ein starkes Auftreten.“
Er selbst braucht das nun nicht mehr und kann seinen Ruhestand genießen, auch wenn das noch Zeit brauche. Worauf er sich am meisten freut, weiß er zwar nicht. „Aber ich komme jetzt dazu, den Keller aufzuräumen.“ Seine Frau dränge ihn schon seit Längerem dazu, sagt er und lacht.
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