Kriminalität

Schockanrufe in der Rhein-Neckar-Region - das millionenschwere „Geschäft“ der Betrüger

Noch immer finden Betrüger ihre Opfer, gaukeln schwere Unfälle von Familienangehörigen vor und erpressen „Kautionen“. Schockanrufe boomen. Im Ludwigshafener Rat für Kriminalprävention ist das ein großes Thema

Von 
Bernhard Zinke
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Das Ehepaar erschrickt, wenn plötzlich die vermeintliche Tochter am Telefon hysterisch heult: eine Szene des Präventionstheaters Schifferstadt © Bernhard Zinke

Ludwigshafen. Die Zeitungen sind voll von Meldungen über Schockanrufe: Der Sohn oder die Tochter sind vermeintlich in einen tödlichen Unfall verwickelt, schreien hysterisch ins Telefon. Dann übernimmt ein angeblicher Staatsanwalt oder eine Polizeihauptkommissarin und verlangt fünfstellige Summen als Kaution.

Bevorzugt Seniorinnen und Senioren werden immer wieder Opfer krimineller Banden, obwohl die Masche mittlerweile hinlänglich bekannt sein dürfte. Meist verlieren die Menschen einen großen Teil ihrer Altersvorsorge, bis hin zur Existenzgefährdung.

Theaterprojekt soll für Schockanrufe sensibilisieren

Das Präventionstheater Schifferstadt um seinen Initiator Günther Neudeck beschreitet seit dem Frühjahr eigene Wege, um Senioren aufzuklären. Es zeigt auf der Bühne in Spielszenen, wie der Betrug abläuft - und in einer zweiten Version, wie die potenziellen Opfer idealerweise reagieren sollten, nämlich einfach auflegen und den Sohn oder die Tochter direkt anrufen.

Bei der jüngsten Sitzung des Ludwigshafener Rates für Kriminalitätsverhütung spielt das Ensemble zwei Szenen vor. An der Reaktion des Publikums zeigt sich, dass die Spielszenen durchaus ihren Beitrag zur Aufklärung leisten. Da atmet das Publikum scharf auf, wenn der Senior der vermeintlichen Polizistin vertrauensselig erzählt, welche Reichtümer er zuhause hat. Fünf „Theaterstücke“ hat das Ensemble im Repertoire und ist schon knapp zehn Mal in der Region damit aufgetreten.

Zahl der Schockanrufe geradezu explodiert

Leider funktioniert die Masche besser denn je, wie Michael Lerch erläutert, Leiter der Prävention beim Polizeipräsidium Rheinpfalz in Ludwigshafen. Nach der Statistik sind die Fälle des sogenannten Call Center-Betrugs - denn meist kommen die betrügerischen Anrufe aus Call-Centern irgendwo im Ausland - im Jahr 2022 regelrecht explodiert. Die Schadenssumme betrug alleine in Rheinland-Pfalz mehr als zehn Millionen Euro, wie das Landeskriminalamt zusammengerechnet hat.

Während die Verluste im Einzelfall etwa bei WhatsApp-Betrügereien - das vermeintliche Kind meldet eine neue Handynummer und bittet zwei Tage später um die Überweisung eines Geldbetrags - bei etwa 3900 Euro lagen, übergaben die Senioren nach erfolgreichen Schockanrufen im Schnitt 35 000 Euro pro Betrugsfall. Und im laufenden Jahr würden die Fälle und Schadenssummen nicht geringer werden, so Lerch. Die Täter seien weiterhin aktiv - und leider auch erfolgreich mit der Masche.

Polizei fordert telefonisch niemals Geld

Der Polizeibeamte rät: Sich am Telefon nicht unter Druck setzen lassen. „Legen Sie im Zweifel einfach auf. Das ist nicht unhöflich“, sagt er. Und schon gar nicht solle man an fremde Personen seine Wertsachen herausgeben. „Die Staatsanwaltschaft und die Polizei fordern am Telefon niemals Kautionen“, sagt Lerch.

Im Ludwigshafener „Krimirat“ fragt ein Bürger. Solle man nicht - quasi als Lockvogel - mitspielen, und heimlich parallel die Polizei alarmieren? Der Experte rät allerdings davon ab. Erstens erwische man nur die Abholer der Wertsachen auf frischer Tat. Und die seien die kleinen Fische, während die Köpfe der Banden vom Ausland aus operieren. Zweitens drohe die Gefahr, dass man doch persönliche Dinge ausplaudere, wenn das Gespräch länger dauere. Das könnte dann Folgen haben, wenn die Betrüger dies bemerkten. Auch könnte der Anrufer im längeren Telefonat ja vielleicht doch irgendwie überzeugend wirken und mit seinem Betrugsversuch Erfolg haben.

Die Polizei ist deshalb auf vielen Ebenen auf: Sie schult Sicherheitsberater für Senioren, arbeitet mit Banken zusammen, bietet Aufklärung an Informationsständen und kümmert sich auch um die Betreuung von Opfern.

Beratungstelefon der Ludwigshafener Polizei: 0621/963 15 15.

Ressortleitung Teamleiter der Redaktionen Metropolregion und Südhessen Morgen

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