Ludwigshafen. Eine ungewöhnliche Wendung nimmt das Riesenärgernis in der Innenstadt. In der Baugrube am Berliner Platz spielen Kinder in einem Bällebad. Am gegenüberliegenden Bauzaun prangt das Schild „Prinzip Hoffnung“. Der Titel eines Hauptwerks des in der Chemiestadt geborenen Philosophen Ernst Bloch passt trefflich zur Gesamtsituation nach den erfolglosen Bauprojekten. Mit guter Ortskenntnis und durchaus humorvoll illustriert Brigitte Kuka das Wimmelbuch Ludwigshafen, das der Velle-Verlag (Ludwigsburg) am 26. September auf den Markt bringt. Das Werk richtet sich zwar vornehmlich an Kinder bis acht Jahren, werden vermutlich aber auch Erwachsene gerne zur Hand nehmen.
Ob Willersinnbad, Michaelsberg, Ebertpark oder BASF – viele Facetten der Stadt breitet die 57-jährige Künstlerin in dem 16 Seiten starken Bilderbuch aus. Auch wenn Kuka in Ostwestfalen aufgewachsen ist und lebt, sind ihr viele Ecken der Vorderpfälzer Metropole sehr vertraut – wegen verwandtschaftlicher Beziehungen. „Ich komme seit 35 Jahren regelmäßig nach Ludwigshafen“, berichtet Kuka im Gespräch mit dieser Redaktion.
Lebendiges Treiben vor der Rhein-Galerie in Ludwigshafen
Sehr häufig war sie mit ihren beiden Kindern, die mittlerweile 22 und 25 Jahre alt sind, im Wildgehege Rheingönheim. „Der Wildpark hat so viel zu bieten, da fiel mir die Auswahl an typischen Szenen schwer“, erzählt Kuka. Lange überlegt hat sie auch, wie sie das Hack-Museum einbinden kann, dessen Mirowand mit 7200 bunten Keramikfliesen weithin bekannt ist. Ebenfalls ein Hingucker ist der rückwärtige Hackgarten, der unlängst für einen Ehrenamtspreis nominiert wurde. Aus Platzgründen packte Kuka die kulturellen Aushängeschilder Ludwigshafens auf eine Doppelseite, dazu zählen auch Pfalzbau und Lutherplatz samt beeindruckendem Lutherbrunnen des Ehepaars Rumpf.
Das Titelbild des großformatigen Bilderbuchs ziert indes ein lebendiges Treiben vor der Rhein-Galerie, die als neuer Identifikationsort Ludwigshafens dient, nachdem die „Tortenschachtel“, das BASF-Hochhaus und nun auch das Rathaus-Center abgerissen worden sind oder gerade plattgemacht werden. Kinder vergnügen sich an Kletterwand und großen Rutsche, musizieren mit Geige und Gitarre. Drei Sportler werden nach einem Laufwettbewerb geehrt, während andere an Biertischen und auf Liegestühlen entspannen. Das ganze Geschehen erinnert an ein Stadtfest, zumal der Platz der Deutschen Einheit sonst nicht so brechend voll ist.
Viele Anregungen aus Sozialen Medien erhalten
„Ludwigshafen gilt nicht als besonders schön, erhält viel Bashing, ist aber eine sehr spannende Stadt“, begründet Deborah Schulze, die mit Tabea Lerch den Velle-Verlag leitet, die Entscheidung, das fünfte Wimmelbuch zu Ludwigshafen herauszubringen. Im Vorfeld startete der Verlag eine Aktion in den Sozialen Medien - und erhielt viele Anregungen. „Die Resonanz war beachtlich. Viele lieben ihre Stadt und fühlen sich wohl“, sagt die Verlagschefin. Dies bestärkte die Initiatorinnen darin, das Buch anzugehen.
Zumal sich neben Sponsoren auch ein Kooperationspartner mit der städtischen Marketing-Gesellschaft Lukom fand. „Wir wollen zeigen, dass wir eine Stadt voller Leben, Vielfalt und Geschichten sind. Hier gibt es viel zu entdecken und zu staunen“, erläutert ein Lukom-Sprecher das Engagement. Deshalb wird das Wimmelbuch (Preis: 15,99 Euro) nicht nur im Buchhandel, sondern auch in der Tourist-Information am Berliner Platz erhältlich sein. Mit der Lukom wurden auch etliche Buchmotive abgesprochen.
Studierte Grafikdesignerin
- Brigitte Kuka (57) gestaltet seit neun Jahren Wimmelbücher für deutsche Städte, übernimmt aber auch andere Aufträge.
- Die Mutter von zwei Kindern hat nach einem Abschluss als Diplom-Grafikdesignerin stets freiberuflich gearbeitet. Auftraggeber der Bielefelderin waren unter anderem die IHK Ostwestfalen, die Kinderpalliativstation Datteln und die Verbraucherzentrale Niedersachsen. 40 Geschichten aus dem Koran zeichnete sie für das Pädagogisch-Theologische Institut Hamburg.
- Der Velle-Verlag Ludwigsburg gibt ein Online-Stadtmagazin sowie seit 2021 Wimmelbücher heraus – bislang für Ludwigsburg, Bietigheim-Bissingen, Nürnberg und Würzburg. Als sechste Stadt soll Ingolstadt bald folgen.
Die Kinder werden beispielsweise aufgefordert, die Zahl der Luftballons auf dem Pfalzfest zu zählen oder nach dem Kater Kosmo zu schauen, der sich auf den roten Teppich beim Filmfestival traut. Auf einer weiteren Doppelseite finden sich Szenen vom Werksgelände des Sponsors BASF, etwa die Schülerlabore oder der Aniliner Armin Uli, der mit einem typisch roten Fahrrad des Unternehmens weithin in der Stadt herumkommt.
Apache 207, Daniela Katzenberger oder die Hemshof-Friedel
Besonders wichtig sind dem Verlag und der Illustratorin die Themen Diversität und kulturelle Vielfalt. Deshalb wimmelt es im Buch von Kindern und Erwachsenen mit dunkler und heller Hautfarbe. Das trifft auch auf Sophia und Luca zu, die sich seit Kindergartenzeiten kennen und sich auf eine Abenteuerreise durch die Stadt begeben. „Ich will demonstrieren, dass ein friedliches Zusammenleben möglich. Werte wie Toleranz und Demokratie sind gerade in der heutigen Zeit sehr wichtig“, sagt Kuka.
Aufgenommen hat sie in das Buch auch bekannte Personen der Stadt, wie den in der Gartenstadt aufgewachsenen Rapper Apache 207, die Reality-TV-Darstellerin Daniela Katzenberger oder die Hemshof-Friedel, die in den 1970er Jahren die Gäste in Hemshöfer Kneipen mit der Gitarre unterhielt. Abgebildet ist zudem der verstorbene Fußball-Profi Walter Frosch, der lange in Hamburg kickte, aber regelmäßig seine Geburtsstadt Ludwigshafen besuchte.
Der wohl prominenteste Ludwigshafener, der als Ehrenbürger Europas geehrt und nach dem die neue Stadtstraße benannt wurde, fehlt jedoch erstaunlicherweise: Altbundeskanzler Helmut Kohl (CDU). „Wir hatten es überlegt, uns aber letztlich dagegen entschieden, weil wir im Buch politisch neutral sein wollen“, begründet Kuka den Verzicht.
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