Frankenthal/Ludwigshafen. Anlil S. knetet seine Hände. Er hält den Blick gesenkt, während vor dem Frankenthaler Landgericht das Urteil gegen ihn fällt. S. muss für sechs Jahre und sechs Monate ins Gefängnis, wegen schweren Raubs und Freiheitsberaubung. Obwohl er die Tat bis zum Schluss abgestritten hat, darauf beharrte, unschuldig zu sein. Doch die Dritte Strafkammer am Frankenthaler Landgericht kam nach drei Prozesstagen zu einer anderen Überzeugung.
Detailgetreu zeichnet der Vorsitzende Richter Uwe Gau in seiner Urteilsbegründung nach, was sich nach Ansicht der Kammer am 19. August 2019 zugetragen hat. In jener Nacht, die Gerda M. und ihr Ehemann Manfred (Namen von der Redaktion geändert) nie vergessen dürften. Der Angeklagte sei in das Haus des Paares eingedrungen. Über ein aufgehebeltes Fenster habe er sich ins Innere des Gebäudes gezwängt, sei in den Keller vorgedrungen, in Schwarz gekleidet und mit vermummtem Gesicht. Als er merkte, dass die beiden Bewohner im ersten Stock zu Hause und wach gewesen seien, habe er sich in der Küche mit einem Brotmesser bewaffnet. Er habe dem Paar gedroht, es umzubringen, und die Senioren im Badezimmer eingesperrt. Anschließend stahl er den Tresor aus dem Keller.
Schmuckstücke erinnern an vestorbenen Vater
Darin befanden sich Schmuckstücke und Dokumente, etwa das Testament des Paares, Patientenverfügungen, Anlagepapiere, EC- und Kreditkarten, Reisepässe. Den Gesamtwert des Inhalts bezifferten die Ermittler mit rund 18 000 Euro. Der ideelle Wert lässt sich dagegen kaum umreißen. Schon am ersten Prozesstag rang Gerda M. nach Worten, während sie den Schmerz über ihren Verlust beschrieb, sich an ihren verstorbenen Vater erinnerte, der „so gerne Schönes verschenkte“. Und an das Armband, das sie von ihrem Mann zur Verlobung bekam. Aus Gold. Die Halskette ihrer Mutter. Ein Ring, den es zur Konfirmation gab. „Alles ist weg“, sagte sie. Und auch in ihrem Innern sei etwas verschwunden: die Lebensfreude, ihre Energie. „Ich habe keine Kraft mehr“, so die 72-Jährige. Sie schlafe kaum, nachts könnten sie beide das Licht nicht mehr löschen, weil die Angst zu groß sei.
Überführt hat Anlil S. eine DNA-Probe, die die Ermittler an der Badezimmertür fanden. „Das ist der Punkt, der hauptsächlich zur Verurteilung geführt hat“, so Gau. Und über den sich die Kammer besonders verständigte. Denn: S. Verteidiger, Andreas Groß aus Wiesbaden, hatte schon früh die These aufgestellt, die Spuren könnten über eine „sekundäre Antragung“ ins Haus gelangt sein, über einen Handschuh, den S. bei seinem Bekannten vergessen habe. Dieser wurde bereits im Juli 2020 zu einer dreijährigen Haftstrafe verurteilt - wegen Anstiftung zum schweren Wohnungsdiebstahl. Und er soll es gewesen sein, der 2019 - im Gefängnis - den Tipp bekam, dass das Ehepaar M. einen Tresor im Keller habe. „Es ist sehr wahrscheinlich, dass der Mann, der den Safe eingebaut hat, diese Info weitergetragen hat“, so Gau.
Wo ist Inhalt des Safes?
Dass die DNA-Spuren über Umwege in das Rheingönheimer Haus gelangt sein könnten, „liegt in einem Bereich, der mehr als unwahrscheinlich ist“, so der Vorsitzende Richter. Gau betonte auch, dass die Kammer überzeugt sei, dass S. durch das Fenster im Keller hindurch gepasst habe. Sein Verteidiger hatte immer wieder daran gezweifelt.
Was mit dem Inhalt des Safes geschehen ist, konnte bis heute nicht geklärt werden. Das Gericht hat Anlil S. deshalb auch dazu verurteilt, die veranschlagte Summe der Ermittler an die Opfer zurückzuzahlen. Und ihnen so zumindest einen kleinen Teil von dem zurückzugeben, was er ihnen genommen hat.
URL dieses Artikels:
https://www.mannheimer-morgen.de/orte/ludwigshafen_artikel,-ludwigshafen-ludwigshafener-rentner-ehepaar-im-eigenen-haus-bedroht-und-bestohlen-gericht-spricht-_arid,1992764.html