Ludwigshafen. Gewusel am Fluss, vor der Rhein-Galerie ist nicht nur der Rhein mit seinen Schiffen zu bewundern, sondern auch die Mannheimer Seite mit Speicher 7 und der Jesuitenkirche. Schon etwa zehn Jahre wirkt die Ansammlung vieler Markengeschäfte an einem Ort als magnetischer Anziehungspunkt bis in die Vorderpfalz hinein. Und jetzt auch noch Kunst! Denn das Bürgermeister-Ludwig-Reichert-Haus wird saniert (nicht der Kunstverein, der wurde schon vor längerem erneuert), aber alles andere. Dazu mussten die Beteiligten sich neue Räume suchen und wurden fündig in der großen Einkaufsgalerie. Dort gibt es ungefähr in der Mitte einen vormals leeren Laden, der umgebaut wurde für die Zwecke des Kunstvereins.
Erfreulich ist das geringe Alter der Anlage - 2010 eröffnet -, beispielsweise ist die Lichtgestaltung ganz zeitgemäß und praktisch. Wunderbar wirken die bunt beklebten Fensterscheiben, „ZOOM“ heißt der neue Raum. Auch als Hinweis auf die Vergangenheit mit Corona, denn wer hat nicht schon das neue digitale Format „Zoom“ benutzt.
Kostenloser Workshop
- Tomás Espinosa lädt zu einem kostenlosen Workshop ein, in dem die Teilnehmenden eine Choreografie entwickeln. Diese wird am Samstag, den 24. September, um 20.30 Uhr, beginnend vor der Rhein-Galerie mit 40 tragbaren Leuchtelementen aufgeführt.
- Der Workshop dazu findet vom 21. bis 24. September jeweils von 16 bis 20 Uhr statt. Anmeldung: info@kunstverein-ludwigshafen.de
- Infos Ausstellung: Zoom, Quartier des Kunstvereins Ludwigshafen in der Rhein-Galerie, bis 29. Oktober, Di bis Sa 11 bis 20 Uhr, So und feiertags geschlossen.
Videokunst erfüllt den Raum
Also ein Schritt hinaus aus der Komfortzone des traditionellen Kunstvereins, der ja bisher immer sehr geschützt hinter der Stadtbibliothek lag. Aber vielleicht auch eine echte Chance, denn das wissen wir ja alle, auch die ehrenamtliche Arbeit deutscher Vereine wird durch das allmähliche Verschwinden der sogenannten Baby-Boomer-Generation deutlich beeinflusst werden. Jetzt muss sich der experimentelle Charakter der Gegenwartskunst neu beweisen, muss überprüft werden und auch mit neuen Formen wie Performances und Workshops, gerade in Ludwigshafen, auch eingreifen in den Alltag.
Die erste Ausstellung, übrigens die erste Einzelausstellung der jungen Künstlerin Ira Konyukhova, zeigt das gleich sehr eindrücklich. Videokunst, Keramik und Installationen erfüllen den Raum. Doch kurz zur Kunstschaffenden: Sie wurde 1984 in Udomlja in Russland geboren, studierte Physik in Moskau und dann Bildende Kunst in Mainz, Reykjavik und an der HfG Karlsruhe. Sie erhielt viele Stipendien, etwa am Valie Export Zentrum in Linz, hatte schon etliche Ausstellungen weltweit und lebt in Berlin. Hier im Zentrum stehen neue Arbeiten, etwa ein in Ludwigshafen angefertigtes Video mit dem Titel „Speaking about respect with the leaves“ (2022), das sehr ergreifend von drei Jugendlichen aus Ludwigshafen handelt, die sich sehr offen rein gestisch mit Themen wie Mobbing, Ausgrenzung und Rassismus befassen. Aber die Krönung ist, dass sie das ganz ohne Worte tun, das Video dennoch sehr einzigartig und bewegend erzählt. Wie sich die Gesten mischen mit Vogelgezwitscher und der Großartigkeit der jeweiligen Umgebung, sei sie noch so abgenutzt. Der Künstlerin gelingt es, wohl auch durch fast ein Jahr Vorbereitungszeit, 14 bis 18-Jährige zu erstaunlicher Offenheit zu bewegen.
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Installation mit Alexa
Weitere Arbeiten sprechen davon, inwiefern demokratische Grundrechte durch Künstliche Intelligenz eingeschränkt werden, und das auch noch freiwillig. Beispiel hier: Aus Keramik geformte Hände, die nach der Betrachterin zu greifen scheinen und mit Alexa (dem virtuellen automatischen Assistenten) sprechen, aber mit Fragen und Aussagen zu demokratischen Rechten. Sehr gruselig! Ähnliches ist auch über die Installation „Owner“ (Eigentümer) und „Ruler“ (Herrscher) zu sagen, die an kibbeligen Stangen an aristokratische Verhältnisse erinnernde Zustände evozieren, die aber konterkariert werden mit dem eigentlichen Heute: Dollar und Euro!
Ganz anders wird die Performance „Beating Pulses“ sein, die Tomás Espinosa kommendes Wochenende in Ludwigshafen durchführen wird. Der 1985 geborene Kolumbianer lebt heute in Berlin, wo er studiert hat. Er lädt zum Messen des Pulsschlags der Stadt Ludwigshafen ein. Wir dürfen gespannt sein!
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