Ludwigshafen. Jemand wie er muss es schwer gehabt haben in der Arbeiterstadt Ludwigshafen: Dieter Straub träumte als Schüler von südlichen Gestaden und antiken Helden. Als er in den 1960ern erste Gedichte schrieb, schlug er anachronistisch den hohen Ton seines Idols Stefan George an. Obwohl Straub (1934-2014) fast ein Dutzend Lyrikbände veröffentlichte, ist er heute nahezu vergessen. Nun widmet ihm das Ludwigshafener Stadtarchiv in der Rottstraße 17 gemeinsam mit dem Stadtmuseum die verdienstvolle Ausstellung „Irgendwo ist eine Heimat“.
Die Präsentationsmöglichkeiten im Interimsdomizil des Archivs mögen begrenzt sein, doch die von Torsten Israel kuratierte Schau ermöglicht die direkte Begegnung mit einem Literaten, der aus der Zeit gefallen zu sein schien und ein komplexer Charakter war. Video- und Tondokumente zeigen einen verschlossenen Dichter. Auf Fotos erscheint dagegen ein dandyhaft wirkender, dem Leben durchaus aufgeschlossener Mann. Seine schnörkelreiche Handschrift, in mehreren Auslagen zu sehen, verrät einen Schöngeist mit Sinn für Sinnlichkeit.
Die tritt auch in seinen Gedichten zutage, die seit 1970 - da wohnt er längst in Berlin - erscheinen. Bei all ihrer Bildhaftigkeit wirkt Straubs Lyrik sperrig, sie ist der Esoterik der George-Tradition verpflichtet und von Hölderlin beeinflusst. Die Landschaft Griechenlands wird ihm zur Inspiration, „sonnenvertieft ist mein wort“, bekennt er. Straub nutzt Natur-Metaphern nicht, um die Natur zu beschreiben, er strebt danach, die Dinge hinter den Dingen zu ergründen. Wie er in „Die ermüdete Zeit“ Vergänglichkeit, Erinnerung, den Blick zurück auf gelebtes Leben, mit Motiven thematisiert wie Sonne, Meer oder Schiffe („die beladen sind / mit dem Gepäck / all unserer Wanderungen / die wir denken“), das steckt voller Tiefe.
Dichter mit einem großen Netzwerk von Freunden
Gleichwohl ist Straub nicht unberührt von den Zeitläuften. Im ersten Lyrikband „Zorn im weißen Oleander“ (1970) erscheint die Wut der ‘68er-Revolte wie ein Wetterleuchten: „Schlafen - zurückgehen / In den bau der pyramiden / die steine noch wund sehen / in den klammern / der sklavenheere. / Schlafen - den zorn begreifen / am anfang des denkmals.“ Straub lernt griechische Exil-Literaten kennen, mit denen ihn seine Ablehnung der damaligen Athener Militärdiktatur verbindet.
Ein enger Bekannter wird der Musiker und spätere Wirt der TV-Serie „Lindenstraße“, Kostas Papanastasiou, der in Berlin eine Szenekneipe betreibt. So hermetisch seine Texte waren, Straub, der als Rundfunkredakteur, Kritiker und städtischer Pressesprecher tätig war, hatte ein großes Netzwerk von Freunden. Dazu zählten Lyriker wie Michael Speier, der Komponist Stefan Stoll, Künstler wie HAP Grieshaber oder die Malerin Christa von Braun, mit denen der Poet multimedial zusammenarbeitete, was einige schöne Auslagen dokumentieren.
1999 kehrt Straub nach Ludwigshafen zurück. Hier entsteht sein umfangreiches Spätwerk. Nachzulesen ist all dies auf der eigens gestalteten Internetseite dieter-straub-portal.de. Wie Stadtmuseumsleiterin Regina Heilmann mitteilt, sind bis Ausstellungsende am 28. Februar 2025 noch Lesungen, Konzerte und Schreib-Workshops vorgesehen. Auch ein Begleitbuch wird erscheinen. Danach zieht die Schau nach Berlin, Stuttgart und Griechenland.
Bis 28.2.25, Rottstr. 17, Mo-Do 8.30-12, 13.30-16/Do bis 18 Uhr.
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