Jahrestag - Heute vor 50 Jahren gastierte britische Band The Who in Eberthalle / Musiker zerlegten Instrumente, Fans warfen Stühle

Konzert endet im Trümmerfeld

Von 
Michael Hörskens
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Nachdem bereits Schlagzeug und Bassgitarren zertrümmert waren, sprang Bandleader Pete Townshend in die riesigen Lautsprecherboxen.

© Hörskens

Ludwigshafen. Das war ganz schön heftig: Mehr als 130 demolierte Stühle, fünf große zersplitterte Fensterscheiben, eine Unzahl zertrümmerter Bierflaschen und Rauchbomben. Das Rote Kreuz musste mehrere Verletzte ins Krankenhaus transportieren, einen gar mit abgerissenem Ohrläppchen. So lautet die Bilanz des spektakulärsten Rock-Konzertes, welches jemals in der Friedrich-Ebert-Halle ausgetragen wurde. Dort gastierte vor 50 Jahren, am 12. April 1967, die britische Band The Who. Und die Jungs zettelten bei ihrem Auftritt eine Saalschlacht ungeahnten Ausmaßes an. Am Ende der überaus turbulenten Veranstaltung erlitt der damalige Hallendirektor Georg Böhn gar noch einen Herzanfall. "Ein Chaos in Beat" formulierte der "MM" in seinem Konzertbericht.

Brodeln schon bei Vorgruppe

Was war passiert? Schon beim Auftritt der Vorgruppe John's Children mit dem späteren T-Rex-Frontmann Marc Bolan braute sich etwas zusammen. Der Sänger warf Konfetti auf die Fans, schleuderte wild sein Mikrofon in die Halle, und die Bühnenbeleuchtung kippte von der Rampe.

Die Stars des Abends, The Who, zeigten hernach, wie man alles noch steigern kann. Zur Show der Briten gehörte weiland, dass sie am Ende ihres Auftritts ihre Instrumente gründlich zerlegten. Drummer Keith Moon malträtierte nach getaner Arbeit voller Energie sein Arbeitsgerät und katapultierte seine Schlagzeugstöcke ins Publikum. Bandleader Pete Townshend setzte noch eins drauf, sprang in die riesigen Boxen und demolierte mit Inbrunst seine Gitarre. Zur Untermalung des infernalischen Szenarios wurden Rauchbomben gezündet. Das Unheil nahm zusehends seinen Lauf. Die entzückten Fans sahen sich animiert, der beeindruckenden Demonstration von Zerstörungswut nachzueifern. Bald flogen die ersten Stühle durch die Luft, Gerangel mit Ordnern endeten in wüsten Schlägereien, mehrere junge Leute wurden regelrecht aus der Halle geschleift.

"Ich erinnere mich noch sehr gut an den ominösen Skandalauftritt der Who, in dessen Verlauf der größte Teil der Bestuhlung zu Bruch ging", sagt Andreas Assanoff, heute Regisseur und Darsteller im Theater "Hemshofschachtel". "Spätestens bei dem Titel 'Substitute' gab es kein Halten mehr. Immer mehr Fans versuchten, die Bühne zu stürmen." Als ein rabiater Ordner auf der Bühne einem Mädchen ins Gesicht trat, hätten die Fans zu den Klängen von "My Generation" begonnen, sich an die Bestuhlung zu machen. Einige Besucher versuchten, die Bühne zu stürmen, dann begann die Saalschlacht.

Hans-Peter Negele, damals 15 Jahre alt, saß mit zwei Klassenkameraden vom Max-Planck-Gymnasium auf der Empore. "Dort waren wir in Sicherheit und haben die Szenerie genüsslich beobachtet", erzählt der Jurist, der in Freiburg lebt. "Zwei Tage später war ein Artikel über das Konzert in der Zeitung und auf einem Foto ausgerechnet unser Mitschüler Gerhard abgebildet, der anscheinend gerade einen Gegenstand durch den Raum feuerte." In der nächsten Englischstunde habe der Lehrer, der dies gelesen hatte, den Übeltäter zur Schnecke gemacht.

"Unter Sitz gekrochen"

Gerd Kopp aus Bad Dürkheim hat das Konzert ebenfalls noch in lebhafter Erinnerung: "Ich kannte damals alle Hits meiner Lieblingsband The Who und bin mit einem Freund mit dem Moped nach Ludwigshafen gefahren." Pete Townshend habe seine berühmten Sprünge vorgeführt. Und er hätte an der Gitarre mit seinem rechten Arm die "Windmühle" gegeben, berichtet der heute 66-Jährige. Irgendwann habe der Bandleader dann sein Instrument im Verstärker, den Boxen und auf dem Bühnenboden zertrümmert.

"Als das Chaos losging, habe ich mich zuerst geduckt, dann bin ich unter einen der noch stehenden Sitze gekrochen", blickt Erwin Martin aus Großniedesheim zurück. "Damals war ich 16 Jahre und hatte so etwas noch nie erlebt. Da habe ich schon etwas Angst bekommen." Er habe sich hinterher gefragt, warum die Halle bestuhlt gewesen war, die Sitze nur mit leichten Verbindungsklammern aneinandergereiht. "Eigentlich hätte bekannt sein müssen, dass die Who nicht allzu viel von geordneten Verhältnissen hielten", meint Martin. Die Fans offensichtlich an diesem Abend auch nicht.

Und die Polizei? Angeblich habe ein Dutzend Beamter während der Tumulte in einem Aufenthaltsraum Karten gespielt, war in der Presse zu lesen. So nahm der Abend seinen Verlauf. Und es blieb bis heute ein Konzert in Erinnerung, das in die Annalen einging.

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