Ludwigshafen. Es sind Augen, die durch die Kameralinse zu dem Betrachter direkten Blickkontakt zu suchen scheinen. Augen, die voll Schmerz und Trauer über die schrecklichen Geschehnisse des Holocausts eine besondere Schwere ausdrücken. Und doch spürt man bei längerem Betrachten auch einen Hauch von Hoffnung. Die Fotografien von Luigi Toscano (Bild), Unesco Artist for Peace, lassen nicht kalt. Und das ist gut so. Denn für sein Projekt „Gegen das Vergessen“ standen rund 400 Überlebende des nationalsozialistischen Völkermords, bei dem rund sechs Millionen Juden in Europa getötet wurden, vor der Kamera. Toscano möchte, dass diese Menschen nicht vergessen werden. Damit die Erinnerung bestehen bleibt, hat er überlebensgroße Porträts von Menschen angefertigt, die den Holocaust überlebt haben. Gleichzeitig kämpft der Wahl-Mannheimer damit auch gegen Ausgrenzung und setzt sich für Toleranz, Demokratie und Offenheit ein.
Seine Ausstellung war unter anderem in New York, San Francisco, Washington und Wien zu sehen. Doch der 50-Jährige präsentiert seine Werke nicht nur in Metropolen: Er kooperiert auch mit Schulen und Vereinen. In diesem Rahmen ist die Ausstellung nun auch auf den Schulhof der IGS Ernst Bloch in Oggersheim zu sehen. Diese ist Teil des Bildungs- und Dialogprojekts zur aktiven Auseinandersetzung mit der Geschichte sowie mit Themen wie Rassismus, Antisemitismus und Diskriminierung. Das Projekt wurde von einer 15-köpfigen Projektgruppe geplant, zu der unter anderem die Lehrerinnen Cosette Neuner und Ursula Jochim gehörten.
Der Fotograf
- Luigi Toscano wurde am 9. Mai 1972 in Mainz geboren. Der deutsch-italienische Fotograf und Filmemacher ist der Sohn sizilianischer Gastarbeiter. Er lebt in Mannheim.
- Seine Fertigkeiten als Fotograf brachte er sich nach einem Volkshochschulkurs in Fotografie selbst bei.
- Für sein Projekt „Gegen das Vergessen“ (2015) traf er mehr als 400 Holocaust-Überlebende. Seine überlebensgroßen Porträts erregten weltweite Aufmerksamkeit.
- An der IGS Ernst Bloch werden bei der Ausstellung 19 Exponate gezeigt. Am Mittwoch wurde sie feierlich eröffnet. Die Fotografien können bis zum 7. Juli auf dem Schulhof besichtigt werden.
Antisemitismus noch gegenwärtig
Mit einer Vernissage in der Mensa wurde die Ausstellung am Mittwoch feierlich eröffnet. Melancholische Klezmermusik erfüllt den Raum: Die Lehrer Stephan Sommer, Karl Benz und Lutz Rosenhagen umrahmen die Eröffnung mit virtuos vorgetragenen Stücken musikalisch. Zudem präsentieren Schüler und Schülerinnen unter der Leitung von Bianca Keßler ein darstellendes Spiel.
Schulleiter Andreas Wehrmeister begrüßte die rund 145 Klassensprecher, die stellvertretend für ihre Mitschüler an der Feier teilnehmen. Er ist stolz, dass die Schule ausgewählt wurde, um die Ausstellung von Toscano zu zeigen. So hätte sich Ernst Bloch, der Namensgeber der Schule, wohl sicher über die Ausstellung gefreut, wenn er dies noch hätte erleben dürfen. Denn der Philosoph entstammte einer jüdischen Familie und musste in die USA ins Exil fliehen. Wehrmeister erinnert aber auch an die dunklen Kapitel der deutschen Geschichte sowie das geschichtsträchtige Datum: Exakt vor 81 Jahren, am 22. Juni 1941, haben die Nationalsozialisten die Sowjetunion überfallen. Auch in der Gegenwart erlebe man noch immer Antisemitismus, Extremismus und Rassismus. Man müsse wieder Flagge zeigen gegen das Vergessen. Mit der Ausstellung könne man so seinen Beitrag dazu leisten, betont der Schulleiter.
Silke Ixmann hielt stellvertretend für den Schulelternbeirat eine kurze Rede, außerdem gab es Grußworte von der Ortsvorsteherin Sylvia Weiler sowie von Stefanie Kleinsorge, der Leiterin des Bereichs Kultur für die Stadt.
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Obwohl der Fotograf und Filmemacher aufgrund seiner Arbeit auch schon mal mit Regierungschefs und Präsidenten zu tun hat, ist er sympathisch am Boden geblieben. „Ich bin etwas aufgeregt“, gesteht Luigi Toscano lächelnd. Doch die Tatsache, dass sich Jugendliche dem Thema Holocaust annehmen, berührt ihn. Er freut sich, dass die Schülerinnen und Schüler die Kraft und Inspiration haben, sich damit zu beschäftigen. „Es ist kein einfaches Thema“, räumt der 50-Jährige ein. Er habe sich gefreut, als Ursula Jochim, seine Tante in spe, mit dem Vorschlag, die Ausstellung an die Schule zu bringen, zu ihm gekommen sein.
Neuner, Zweite Stellvertreterin des Schulleiters, erzählt, dass sehr viel für die Idee sprach, die Ausstellung an die Schule zu holen. Ohne großen Krafteinsatz hätte man diese Ausstellung im Dezember nicht auf die Beine stellen können. So sei es nicht zuletzt auch Jochim zu verdanken gewesen, dass bei einem Polenbesuch die Idee geboren wurde.
Auch die Schülervertreterinnen Masa Dalaty und Fabiana Buttaccio Tardio drücken ihre Achtung vor dem Projekt aus. Hinter jedem Porträt stehe auch gleichzeitig die individuelle Geschichte eines Überlebenden, gibt Dalaty zu bedenken. „Jede Geschichte ist wichtig“, sagt auch Buttaccio Tardio mit fester Stimme. „Man muss sie respektieren und aus ihr lernen.“
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