Prävention - Experte informiert im Rat für Kriminalitätsverhütung über Verschwörungstheorien und den Umgang mit ihren Anhängern / Von Krieg und Krisen befeuert

Experte informiert in Ludwigshafen über Verschwörungstheorien

Von 
Dirk Timmermann
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Ludwigshafen. „Mächtige Einzelpersonen und Gruppen von wichtigen Menschen beeinflussen bedeutende Weltereignisse und lassen die Bevölkerung über ihre Ziele im Dunkeln.“ Wer so etwas glaube, sitze per Definition einer „Verschwörungserzählung“ auf, sagte Tobias Meilicke während der Plenumssitzung des Rats für Kriminalitätsverhütung der Stadt Ludwigshafen.

Der Politikwissenschaftler und Soziologe leitet in Berlin die Beratungsstelle Veritas, die sich an das Umfeld von Verschwörungsgläubigen richtet. Als solche bezeichnet er Menschen, die sich in eine Welt der Verschwörungsmythen und -erzählungen begeben haben. Meilicke zufolge glauben sie beispielsweise an eine negative Wirkung des US-Investors und Förderers zahlreicher NGOs, George Soros, oder sie beschäftigen sich mit den sogenannten Bilderbergern. Andere wiederum zögen die offizielle Darstellung der Ereignisse vom 11. September 2001 in Zweifel oder legten eine „generelle Vorurteilsstruktur“ an den Tag. Demzufolge gebe es etwa „keine Zufälle“ in der Geschichte.

Dass in solchen Ideen ein Radikalisierungspotenzial stecke, verdeutlichte Meilicke am Beispiel des Tankstellenmords von Idar-Oberstein, bei dem ein Maskenverweigerer einen jungen Mann erschoss. Mitunter seien Verschwörungserzählungen auch ein Thema für das Jugendamt. Das Kindeswohl könne in Gefahr geraten, viele Verschwörungsgläubige seien Eltern im Alter zwischen 25 und 34. Eine geschlossene Szene gebe es allerdings nicht. „Es ist ein Irrglaube, dass es sich ausschließlich um Rechtsextremisten handelt“, erklärte der Soziologe. Ebenso wenig bestehe ein signifikanter Zusammenhang mit dem Bildungsgrad. Auch seien die wenigsten Personen psychisch krank.

Insgesamt ordnet Meilicke sechs Millionen Bundesbürger als verschwörungsgläubig ein. In einer Studie stimmten sogar 33 Prozent der Befragten der Aussage zu, wonach Politiker „Marionetten dahinterstehender Mächte“ seien. Zuletzt habe das „zufällig in China aufgetauchte Virus“ Corona-Verschwörungsmythen begünstigt.

Aktuell drehten sich Verschwörungserzählungen verstärkt um die Ukraine, wo Russland „westliche Biolabore ausheben“ wolle. Der Wunsch, die Welt zu verstehen, aber auch die Suche nach Anerkennung seien Motive für die Hinwendung zu derartigen Thesen. Im Umgang mit diesen Menschen solle man aktiv zuhören, Quellen hinterfragen und „maximal drei Gegenargumente“ anbringen. „Das Verbreiten von Theorien ist zunächst nur eine Meinungsäußerung“, stellte Polizeipräsident Georg Litz klar, der zugleich Stellvertretender Vorsitzender des „Krimirats“ ist. Gehe es um Straftaten, schreite man ein. Bei den sogenannten Reichsbürgern handle es sich dagegen großteils um „Papier-Terroristen“, seltener um Gewalttäter, ergänzte Meilicke.

Mit Sorge blickt der Wissenschaftler auf die US-Präsidentschaftswahl 2024 sowie eine mögliche Impfpflicht in Deutschland. In diesen Fällen drohe die Eskalation – auch auf der Grundlage von Verschwörungserzählungen. 

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