Mit seinen 19 Jahren hätte Mehmet Karacale in der Türkei zur Armee gemusst. Das wollte der junge Mann aus Ludwigshafen vermeiden. Daher hat er die deutsche Staatsangehörigkeit beantragt - und nun bei einer Feier im Rathaus seine Einbürgerungsurkunde entgegengenommen. "Ich fühle mich als Deutscher, es ist ein gutes Land zum Leben, ein Land mit vielen Freiheiten", sagt er. Und Ludwigshafen bezeichnet Mehmet Karacale als seine Heimat. Hier ist er aufgewachsen, hier möchte er sein Leben verbringen. Dass seine Verwandten alle in der Türkei leben, sei aber schon schade. So wie Mehmet Karacale geht es an diesem Nachmittag vielen Menschen, die bei einer Feierstunde im Rathaus ihre Einbürgerungsurkunde erhalten.
Sie freuen sich einerseits, weil sie nun offiziell Deutsche geworden sind. Andererseits haben viele noch Verwandte und Freunde in ihren Herkunftsländern, die sie vermissen. Beinahe jeder Sitz im Stadtratssaal ist an diesem Nachmittag besetzt. 103 Ludwigshafener erhalten bei der letzten Einbürgerungsfeier der Stadt in diesem Jahr ihre Urkunde. Davon sind 80 Erwachsene und 23 Kinder und Jugendliche. Insgesamt hat es neun solcher Feiern in diesem Jahr gegeben.
Konflikt zwischen Kopf und Herz
"Vielen mag die Antragstellung nicht leicht gefallen sein", sagt Beigeordneter Dieter Feid, der unter anderem für Ordnung und Bürgerdienste verantwortlich ist. Es sei für viele ein innerer Konflikt zwischen Kopf und Herz. Schließlich sei das Land, in dem man geboren sei, immer die Heimat. "Andererseits wollen sie auch gleichberechtigte Bürger sein", so Feid. Mit der deutschen Staatsbürgerschaft könnten die Eingebürgerten nun wählen gehen, die Freizügigkeit in der EU genießen, sich selbstständig machen, ein Wir-Gefühl entwickeln.
"Nun haben Sie die Möglichkeit, dieses Land mitzugestalten", sagt Feid zu den 103 Menschen, die anschließend im Stadtratssaal gemeinsam sprechen: "Ich erkläre feierlich, dass ich das Grundgesetz und die Gesetze der Bundesrepublik Deutschland achten und alles unterlassen werde, was ihr schaden könnte." Dann werden die Namen aufgerufen und Feid übergibt die Urkunden. Als Erste ruft er Meryem Walter nach vorne. Sie kommt ursprünglich aus der Türkei - wie 21 weitere Gäste an diesem Tag auch. Die Türken sind die größte Bevölkerungsgruppe, die 2014 die deutsche Staatsangehörigkeit erhalten haben.
Meryem Walter lebt schon seit 2002 in Deutschland. Sie hat über zehn Jahre lang gebraucht, bis sie sich dazu entschieden hat, die Staatsangehörigkeit zu beantragen. "Es dauert schon, bis man sich darüber im Klaren ist, wo man hingehört", sagt sie. Aber schließlich sei ihr Mann Deutscher, und ihre Tochter ist in Deutschland geboren. "Ich habe mich hier vom ersten Tag an wie zu Hause gefühlt und bin glücklich. Daher wurde es nun Zeit."
Salan Uddin hält gleich mehrere Einbürgerungsurkunden in der Hand: für sich, seine Frau Taufiga und seine Töchter Sameeha und Nabiha. Salan Uddin kommt ursprünglich aus Bangladesch und ist Informatiker. Nach Deutschland kam er vor acht Jahren, weil er hier ein gutes Jobangebot hatte. Seine Frau holte er ein Jahr später nach. Seine beiden Töchter kamen in Deutschland zur Welt und gehen hier zur Schule. "Uns war es irgendwann zu anstrengend, ständig ein neues Visum zu beantragen", erzählt Salan Uddin. Deshalb hätten sie sich entschieden, Deutsche zu werden. "Wir werden hier bleiben, unsere Kinder sollen hier aufwachsen, wir fühlen uns sehr wohl." Dennoch sei es für ihn ein sehr emotionaler Moment gewesen.
Nachdem alle Urkunden überreicht sind, stimmt das Bläserquartett der städtischen Musikschule die Nationalhymne an. Salan Uddin wischt sich danach die Tränen aus den Augen. "Es ist schön, dass wir jetzt Deutsche sind", sagt er. Mit ihren Urkunden können die 103 Bürger nun in den nächsten Tagen ihren deutschen Pass beantragen.
Einbürgerungen in Ludwigshafen
Im Jahr 2014 wurden in Ludwigshafen 706 Menschen aus 64 unterschiedlichen Herkunftsländern eingebürgert.
2013 waren es mit 536 Menschen, die einen deutschen Pass erhielten, noch deutlich weniger.
Die größte Bevölkerungsgruppe kommt aus der Türkei, 190 erhielten dieses Jahr die deutsche Staatsangehörigkeit.
Weitere 100 Menschen, die 2014 eingebürgert wurden, hatten zuvor die irakische Staatsangehörigkeit, 52 kamen ursprünglich aus Kamerun.
Bei der jüngsten Einbürgerungsfeierim Rathaus erhielten 103 Menschen aus 26 verschiedenen Nationen ihre Einbürgerungsurkunde.
Davon waren 180 Erwachsene und 23 Kinder und Jugendliche.
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