„Aus Liebe will mein Heiland sterben“, bis ins Mark dringt die Arie aus der Matthäuspassion. Verstärkt wird dieses Empfinden durch den Kontext, in dem sie zu hören ist. Den bilden die Tänzer und Tänzerinnen der São Paulo Dance Company, die sich in „Odisseia“ auf eine Seereise begeben.
Es ist das letzte von drei Stücken des Programms, das die brasilianische Truppe im Ludwigshafener Theater im Pfalzbau im Rahmen der „Festspiele“ präsentiert. Sie wird, wie auch die übrigen Beiträge, von den Zuschauern im ausverkauften Haus begeistert beklatscht.
Joëlle Bouvier zeichnet für die Choreographie von „Odisseia“ verantwortlich. Wie Odysseus in Homers Epos nach dem Trojanischen Krieg auf der Heimfahrt durch widrige Winde umherirrt, haben auch die Tänzer in Bouviers Kreation zu kämpfen. Diese ist unter anderem vom Thema der Migration inspiriert. Der Schrei der Möwen vermischt sich mit dem Rufen eines Menschen. Ist es ein Flüchtling oder jemand, der in der heutigen, unsicheren Welt auf der Suche nach sich selbst und dem Ursprung seines Seins ist? Das bleibt hier offen.
Spiel von Leidenschaften
Begonnen hat die Aufführung mit „Trick, Cell, Play“ von Édouard Lock. Dabei tanzen die Akteure in grellen Lichtkreiskegeln auf der ansonsten dunklen Bühne. Die Musik von Gavin Bryars, die von Adriana Holtz und Douglas Kier (Cello), Horário Gouveia (Klavier), Joana Qeiroz (Clairon) und Pedro Gadelha (Kontrabass) gespielt wird, ist dagegen zart. Sie bildet den Unterton für das düstre Spiel der Leidenschaften. Alles, was süß und lieblich ist, wird im Tanz zu Fall gebracht.
Marco Goecke kreierte den Pas de Deux aus „Der Feuervogel“ mit der Musik von Igor Strawinsky bereits 2010 neu. Nicht der Feuervogel, der den Zauberer und seine Dämonen in Schlaf versetzt, begegnen hier einander, sondern ein Feuervogel, der tanzt, und ein Prinz, der fliegt. Grazil schlagen und vibrieren die Flügel und schwänzeln die Tänzer Renata Peraso und Joca Antunes mit- und umeinander.
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