Dieser Mann erreicht zwar nicht das große Publikum, für das er ganze Stadien und Arenen mieten müsste. Und er kokettiert beim Enjoy Jazz-Konzert im Ludwigshafener Kulturzentrum dasHaus auch wiederholt mit der begrenzten Hitparaden-Tauglichkeit seiner Musik. Das ist schon eine Bürde in dem Land, aus dem Chris Thile stammt (geboren wurde er in Oceanside in Kalifornien). Einem Land, in dem Verkaufszahlen – fast – alles sind. Doch dafür trifft er auf ein enthusiastisch mitgehendes Kenner-Publikum, das lässt sich auch in Ludwigshafen registrieren. Wie auf Knopfdruck singen oder summen die Besucherinnen und Besucher manchen Titel mit.
Aggressiver Anschlag
Die weitaus größte Bürde ist für Thile freilich, dass er dieses kleine, zarte Instrument bedient: die Mandoline. Mit fünf Jahren hat er sie schon in die Hand genommen und von da an nicht mehr losgelassen. Was natürlich Folgen hat, auch für die Mandoline selbst – bei Thile hat sie selten den fragilen, schwindsüchtigen Klang, den man ihr häufig zuschreibt, jenen Klang, der von Vergänglichkeit erzählt. Thiele besticht mit einem scharfen, „reißerischen“, manchmal sogar aggressiven Anschlag. Und mit einer Virtuosität, die ihn zum Mandolinen-Paganini macht. Stilistisch ackert er damit auf einem Feld, das mit dem etwas wolkigen Begriff „Americana“ zu umschreiben wäre. Meistens ist das irgendetwas zwischen Folk und Bluegrass, allerdings in einer avancierten Form. „Progressive Bluegrass“ nennt man es bisweilen.
Falls an seiner Kompetenz noch irgendwelche Restzweifel bestehen sollten, macht sich Thile über das Präludium aus der „eigentlich“ für Solovioline komponierten dritten Bach-Partita her, lässt dessen Kontrapunktik aufblühen – und dann ein selbstverfasstes Stück aus ihm herauswachsen. Der Alleskönner Thile singt auch, gern mit Kopfstimme, macht viele schräge Späße, augenrollende Grimassen oder sogar Slapsticks. Es ist eine wahre One-Man-Show. Bei der aber kein Mandolinen-Ton daneben geht. Kein einziger.
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