Ludwigshafen. „Geht es dir gut?“ Gegenwärtig eine fast peinliche Frage. Zumal für all jene, die über den persönlichen Tellerrand hinausschauen und im Fernsehen bedrückende Nachrichten erfahren. Kaum war das Corona-Masken-Festival vorbei, haben wir Krieg in Israel und der Ukraine, den immer rasanter werdenden Klima-Wandel und die Finanzkrise des Staates. Entsprechend fragt der Schauspieler Fabian Hinrichs zurecht „Was soll denn noch kommen?“ Gemeinsam mit dem Autor und Regisseur René Pollesch hat er für die Berliner Volksbühne unter dem Titel „Geht es dir gut?“ einen Abend gestaltet, der jetzt im Pfalzbau-Theater bei den Ludwigshafener Festspielen zu sehen war.
„Ich bin sooo müdeee“ wiederholt Hinrichs mehrmals. Man glaubt ihm die Erschöpfung gern. Schließlich beschränken er und Pollesch ihr Krisen-Management nicht auf das, was an größeren und kleineren Katastrophen in der Welt geschieht, sondern widmen ihre Aufmerksamkeit auch internen künstlerischen Vorgängen. Wenn Hinrichs davon spricht, dass man schon seit Jahren nicht mehr wisse, was man sage, verrät das wenig Zuversicht. Ob solche Erkenntnisse auch für die Volksbühne gelten, bleibt offen. War doch Frank Castorf, Polleschs Vorgänger auf dem Intendantenstuhl, bekanntermaßen eifrig bemüht, enttäuschte Randgruppen mit jenen politischen Positionen zu versorgen, die er bei anderen Häusern vermisste.
Verblüffende Ehrlichkeit
Hinrichs Ehrlichkeit verblüfft. Aber mit klagenden, oft herausgeschrienen Verzweiflungsorgien über eine offenbar tragisch gescheiterte Liebe oder den politischen Stumpfsinn unserer Tage lassen sich keine anderthalb Theater-Stunden füllen, Selbst wenn man, trotz zahlreicher Wiederholungen, Fabian Hinrichs langem Monolog gebannt zuhört. Gelingt es ihm doch, der zunächst verlassen über die leere Bühne irrt, eine existenzielle Einsamkeit und individuelle Trostlosigkeit zu vermitteln, ohne gleich in ein pathetisches Selbstmitleid abzurutschen.
Zwar leisten ihm die Chöre von „Afrikan Voices“ und der „Bulgarian Voices Berlin“ bravourösen vokalen Beistand, doch bevor das Ganze im Fahrwasser einer universellen Depression versinkt, beweisen Pollesch und Hinrichs, dass sie stets für aufmunternde Überraschungen gut sind.
Zu ihnen gehört ein silbrig verkleidetes Raumschiff, das die Bühnenbildnerin Katrin Brack vom Theaterhimmel herabschweben lässt. In ihm verschwindet zögernd das singende Personal. Rein in die Rakete, raus aus dem gesellschaftlichen Mief! Später kehren die Weltraum-Touristen zurück. Vielleicht in der trügerischen Annahme, dass sich der Planet Erde inzwischen moralisch erneuert haben könnte. Auch das weiß lackierte Mercedes-Taxi, von Hinrichs mit quietschenden Reifen gesteuert, bringt Bewegung ins Spiel. Ihm entsteigen junge Breakdancer der Flying Steps Academy. Ihr fulminanter, lautstark bejubelter Auftritt beseitigt minutenlang alle grämliche Tristesse und rettet uns vor Langeweile und selbstzerstörerischer Bewusstseins-Erforschung.
Alles engagiert und überaus sympathisch. Doch der Abend bleibt im Ungefähren stecken. Ihm fehlt eine übergreifende verbindliche Form, ein durchgehendes Motiv, das ihn vor dem Verdacht zufällig aneinandergereihter Momentaufnahmen bewahrt. Am Ende bleibt die gesellschaftliche Misere. Doch es war schön, mal wieder darüber zu reden.
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