IT-Sicherheit

Cyberangriff auf die Stadt Ludwigshafen?

Die Stadt Ludwigshafen ist aktuell weder digital noch telefonisch erreichbar. Wegen Anomalien im Netzwerk hat die IT sicherheitshalber den Stecker gezogen.

Von 
Bernhard Zinke
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Gab es einen Hackerangriff auf die Stadtverwaltung Ludwigshafen? Ralph Bauerschmidt (IT-Service der Stadt, v.l.), Oberbürgermeisterin Jutta Steinruck und Jens Killius (Bereichsleiter Recht) informieren die Öffentlichkeit. © PIX-Sportfotos

Ludwigshafen. Und wieder macht die Stadt Ludwigshafen unfreiwillig Schlagzeilen: Nachdem Mitarbeiter am Donnerstagmorgen „ernstzunehmende Auffälligkeiten“ im Netzwerk der Stadt festgestellt hatten, nahm die Verwaltung vorsichtshalber das komplette System vom Netz. Seit Donnerstag um 10.30 Uhr ist die Stadtverwaltung Ludwigshafen deshalb weder per E-Mail noch per Telefon zu erreichen. Weder die Webseiten der Stadt noch die Online-Dienste sind verfügbar. Ein vorbereiteter Notfallplan sei aktiviert worden, sagte Oberbürgermeisterin Jutta Steinruck am Freitagmittag in einer Pressekonferenz bei der Feuerwehrhauptwache am Kaiserwörthdamm. Möglicherweise ist die Stadtverwaltung nun für Tage, wenn nicht sogar für Wochen lahmgelegt.

Kriminalität

Cyberangriff möglich: Stadt Ludwigshafen ist offline

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Jakob Walter , Stephan Alfter und Till Börner
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Unklar ist indessen die Ursache und Herkunft dieser Unregelmäßigkeiten. Dazu seien noch keine verlässlichen Aussagen möglich, sagte Steinruck. Fakt sei allerdings, dass man selbst aktiv geworden sei und vorsichtshalber den Stecker gezogen habe. Von einem „Hackerangriff“ will Steinruck – noch – nicht sprechen. Ausschließen könne man aber eine solche Attacke auch nicht. In jedem Fall waren die Anomalien derart verdächtig, dass sich die Stadtverwaltung dazu entschloss, alle Systeme vorsichtshalber vom Netz zu trennen. „Wir haben noch keinen Datenabfluss registriert, soweit wir das bis jetzt beurteilen können“, so Steinruck. Auch seien – Stand Freitag – keine verschlüsselten Daten entdeckt worden.

Deutlich langsamer werdendes Internet und weitere Auffälligkeiten

Gegen 9 Uhr habe ein Mitarbeiter der IT-Abteilung Anomalien festgestellt. Unter anderem hätten mehrere Mitarbeiter über ein deutlich langsamer werdendes Internet geklagt, erläuterte der Ludwigshafener IT-Abteilungsleiter Ralph Bauerschmidt. Es habe aber auch ein weiterer Umstand mit dazu geführt, dass Alarm ausgelöst wurde. Um welchen Umstand es sich dabei handelte, wollte Bauerschmidt allerdings nicht sagen. Allerdings sieht sich die IT von externen Kräften bestätigt. Ein sofort engagiertes Spezialunternehmen für Internet-Forensik bewertete die „Anomalien“ als „überprüfenswert“. Die Stadt habe absolut richtig gehandelt, berichtete Bauerschmidt von der Einschätzung der externen Experten.

Nun muss die IT sämtliche Systeme und internen Netzwerke auf einen möglichen Befall überprüfen. Bauerschmidt vergleicht das Vorgehen mit einem Hochhaus, bei dem die normalerweise verriegelte Eingangstür offen gestanden habe. Nun müsse man jedes Stockwerk, jede Wohnung und jedes Zimmer überprüfen, ob sich da nicht irgendjemand aufhalte, der hier nichts zu suchen habe. Es ist ein ziemlich hohes Hochhaus, das die IT der Stadt Ludwigshafen bewohnt: Immerhin sind 3700 Rechner bei der Verwaltung im Einsatz, wie Bauerschmidt bezifferte.

Stadtverwaltung weder per E-Mail noch telefonisch erreichbar

Für die Bürger und kommunalen Mitarbeiter bedeutet diese Vorsichtsmaßnahme erst einmal gewaltige Umstände. Die kommunalen Beschäftigten könnten zwar die Anträge der Ludwigshafenerinnen und Ludwigshafener aufnehmen, aber aktuell nicht verarbeiten. „Es tut mir unendlich leid, dass die Verwaltung aktuell keine Dienstleistungen anbieten kann“, entschuldigte sich die Oberbürgermeisterin. Man prüfe aktuell, welche Dienstleistungen auf welchem Weg möglich seien.

Dazu gibt es seit Freitagnachmittag auf der neu aufgesetzten Homepage der Stadt unter www.ludwigshafen.de ein pdf-Dokument, auf dem Antworten zu den wichtigsten Fragen zu finden sind. Die Mitarbeiter der Verwaltung seien weiterhin persönlich erreichbar, könnten die Anliegen der Bürger aber derzeit nicht digital verarbeiten. Bereits vereinbarte Termine könnten wahrgenommen werden. Straßenreinigung und Müllabfuhr seien sichergestellt. Für Notfälle wie etwa Auszahlungen der Sozialhilfe gebe es in dem aktivierten Notfallplan „Rückfalloptionen“, so Steinruck.

Angriffe auf die Netzwerke der Stadt sind indessen keine Seltenheit, wie Ralph Bauerschmidt erläuterte. Pro Jahr gebe es etwa 150 Millionen Versuche, die Sicherheitsvorrichtungen zu überwinden. Davon seien bis zu 100 Angriffe im Jahr ernstzunehmen. Auffällig seien Häufungen von Angriffsversuchen jeweils vor Wahlen. Auch zur jüngsten Oberbürgermeisterwahl war das festgestellt worden.

Landrat des Rhein-Pfalz-Kreises bietet seine Hilfe an

Eingeschaltet hat die Stadt Ludwigshafen auch das Landeskriminalamt, das längst eine große Abteilung zu Cyberkriminalität betreibt, als auch das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) in Berlin. Auch der Landrat des Rhein-Pfalz-Kreises, Clemens Körner, habe schon seine Hilfe angeboten. Der Rhein-Pfalz-Kreis hatte fast genau vor drei Jahren einen Cyberangriff erlebt. Der Angriff war erfolgreich und hatte den Kreis nicht nur mehrere Monate lang lahmgelegt, sondern auch einen Millionenschaden angerichtet.

Wie lange die Überprüfung der IT-Systeme auf einen möglichen Befall durch Viren, Trojaner oder sonstiges digitales Ungeziefer dauert, darüber wollen weder Steinruck noch ihre IT-Leute spekulieren. Schließlich müssen jetzt Log-Daten in einem Umfang von mehreren Gigabyte überprüft werden. Die Fachleute arbeiteten mit Hochdruck an der Auswertung. Die Prüfung dauere mindestens über das Wochenende, eventuell auch länger. Steinruck hat sicherheitshalber den Verwaltungsstab, bestehend aus allen Dezernenten und beteiligten Verwaltungseinheiten, für kommende Woche täglich um 8 Uhr einberufen.

Auch die Öffentlichkeit soll transparent über jeden Zwischenstand informiert werden. Steinruck will ihrem Nachfolger zum Amtswechsel am 1. Januar eine dann wieder geordnete Verwaltung übergeben. Klaus Blettner nahm sicherheitshalber auch schon mal an der Pressekonferenz am Freitagmittag teil.

Am Montag findet übrigens die Sitzung des Stadtrats statt – ganz regulär. Dann werden die Kommunalpolitiker ein dickes Paket mit Ausdrucken der Sitzungsunterlagen auf ihren Plätzen vorfinden. Wie in lange zurückliegenden analogen Zeiten.

Ressortleitung Teamleiter der Redaktionen Metropolregion und Südhessen Morgen

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