Ludwigshafen. „Die Deportation und Ermordung von südwestdeutschen Jüdinnen und Juden“ – so lautet der Name der Wanderausstellung, die bis zum 23. Juni im Ernst-Bloch-Zentrum zu sehen sein wird. Entwickelt wurde sie von der Gedenk- und Bildungsstätte Haus der Wannsee-Konferenz Berlin in Kooperation mit dem Bezirksverband Pfalz. Die Ausstellung erinnert an mehr als 6000 Menschen aus Baden und der Saarpfalz, die am 22. und 23. Oktober 1940 in den unbesetzten Teil Frankreichs deportiert wurden.
Gurs, wo sich das Lager befand, ist ein Dorf in Südfrankreich, nördlich der Pyrenäen, allein der Weg dorthin war schon für viele ältere Menschen eine Strapaze. Von Abfahrt und Ankunft gibt es zahlreiche Bilddokumente, die in der Ausstellung zu sehen sind. Diese gliedert sich in zwei Abschnitte, wobei einer über die Allgemeinsituation informiert, der andere speziell über das Schicksal pfälzischer Jüdinnen und Juden. In der Ludwigshafener Ausstellung kommen zusätzlich noch 20 Fotos hinzu, die vor Ort aufgenommen wurden – diese wurden vom Stadtarchiv zur Verfügung gestellt.
Teilweise konnten Menschen auf den Bildern im Nachhinein identifiziert werden. So bekommen sie einen Namen – und damit eine Lebensgeschichte. Denn es waren die Nachbarn, Freunde, Geschäftsinhaber aus dem Stadtteil, die mit ihren Koffern an jenem Tag im Oktober auf der Straße standen, sich im Schulhof der Maxschule versammeln mussten, um deportiert zu werden.
Die Schau
- Die Ausstellung Gurs 1940 läuft noch bis zum 23. Juni im Ernst-Bloch-Zentrum in der Walzmühlstraße 63.
- Gezeigt werden Fotos, Texte und andere Dokumente von der Deportation südwestdeutscher Juden im Jahre 1940 bis hin zu den Bedingungen während der Gefangenschaft im Lager Gurs.
- Von den in der Schau präsentierten Bildern wurden 20 in Ludwigshafen selbst aufgenommen.
- Die Öffnungszeiten des Zentrums sind Dienstag und Mittwoch von 14 bis 17 Uhr, Donnerstag von 14 bis 20 Uhr.
- Der Eintritt ist frei. Das Begleitprogramm zur Ausstellung findet man unter www.bloch.de
Mit dem Holocaust umgehen
Das Ernst-Bloch-Zentrum sei der ideale Ort für die Ausstellung, da der Philosoph Ernst Bloch (1885 bis 1977) selbst aus einer jüdischen Familie stammte und vor den Nazis ins Exil floh, so Immacolata Amodeo, Direktorin des Ernst-Bloch-Zentrums. Die Ausstellung soll zur Herausbildung eines Kollektivgedächtnisses beitragen. „Zu einem solchen europäischen Kollektivgedächtnis gehört nicht nur das Harmonische und Schöne; Brüche und Dissonanzen sollen auch ans Licht kommen“, sagte Immacolata Amodeo. Dadurch lerne man, mit dem Holocaust umzugehen. Es gehe nur ums Umgehen, nicht ums Verstehen – denn verstehen könne man den Holocaust niemals.
„Die Pfälzer Kommunen haben sich in großer Zahl an uns gewandt, um die Wanderausstellung zu buchen. Schon 2000 Gäste haben sie bisher besucht“, sagte Angela Pfenninger vom Bezirksverband Pfalz. Unter den Städten und Orten sind zum Beispiel Speyer, Neustadt, Landau, Saarbrücken, Berlin, aber auch Paris und Pau in Südfrankreich, nicht weit entfernt von Gurs. „Ein Nebenprodukt der Corona-Pandemie ist, dass vieles in den digitalen Bereich verlegt wurde. Die Ausstellung gibt es auch online. 6500 haben sie bereits angeklickt, die Reichweite ist groß. Wir möchten die Erinnerung an die Verbrechen wachhalten, gerade jetzt, da es geschichtsrevisionistische und antisemitische Tendenzen gibt.“
Berichte von Überlebenden
Buchen kann man die Ausstellung bis 2023. Sie ist sogar zweimal vorhanden, damit sie an zwei Orten gleichzeitig gastieren kann. „Der Transport fand in aller Öffentlichkeit statt und wurde dokumentiert. Es waren weit über 1000 Pfälzer Juden, 180 Personen aus Ludwigshafen. Darunter waren auch Kleinkinder und Leute über 90 Jahre“, schilderte Bernhard Kukatzki, Direktor der Landeszentrale für politische Bildung Rheinland-Pfalz, die Ereignisse. Es gab einige Überlebende, zwei davon kehrten nach Ludwigshafen zurück, zum Beispiel Leo und Lina Alsbacher. Aus Mutterstadt überlebte Ida Löb, die nach New York auswanderte, aber schon 1946 verstarb.
Von allen Überlebenden gibt es Zeitzeugenberichte, die erst spät Aufmerksamkeit fanden. Viele der Menschen starben in Gurs selbst, andere wurden ab 1942 nach Auschwitz deportiert. „In Frankreich gibt es mehrere Hundert Gräber, die renoviert werden müssen“, so Kukatzki. „Wir wollen das Gedenken an Gurs wachhalten und fördern solche Projekte.“
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