Loki, Pan, Anansi, der Affenkönig Sun Wukong oder auch Till Eulenspiegel: Es gibt sie in vielen Kulturen und Ländern, die mythologische Figur des „Tricksters“, des trick- und listenreichen Gottes oder Schelms. Es ist eine Figur, „die die göttliche Ordnung in Unordnung bringt – nicht um zu zerstören, sondern um etwas Neues entstehen zu lassen“, erläutert die Sängerin, Komponistin und Dirigentin Cymin Samawatie.
„Und manchmal, wenn man etwas Neues machen will, muss man eben die alten Strukturen auch mal aufbrechen“, fährt sie fort, und sich fragen: „Geht es auch anders, geht Musik auch ohne in Kategorien und Genres zu denken?“ Vor diesem Hintergrund entfaltet der Name ihres Trickster Orchestra seine volle Bedeutung: Ein faszinierend vielschichtiges Kollektiv, das mit freigeistiger Neuschöpfungskraft Musikkulturen und Ton-Traditionen aus aller Welt, Klassik und Improvisation miteinander verbindet, um daraus ungemein farben- und formenreiche Klanggewebe zu knüpfen.
Zwischen 30 und 40 Musikerinnen und Musiker umfasst das Berliner Ensemble, das Samawatie 2013 zusammen mit dem Perkussionisten und Komponisten Ketan Bhatti gegründet hat und leitet. „Es wächst ständig und verändert sich auch da immer wieder.“ Mit dem Trickster Orchestra ist sie zu einer einwöchigen Residenz im Rahmen des BASF-Kulturförderprogramms Tor 4 eingeladen worden, das in seiner aktuellen, fünften Runde der Fragestellung „Wie geht das neue Wir?“ folgt.
Cymin Samawatie
- Cymin Samawatie wurde 1976 in Braunschweig geboren, sie lebt und arbeitet in Berlin.
- Samawatie absolvierte zunächst ein Klassikstudium an der Hochschule für Musik und Theater Hannover (Schlagwerk, Klavier und Gesang), anschließend schloss sie ein Jazzstudium an der Universität der Künste Berlin (Gesang, Klavier und Komposition) an.
- 2013 initiierte sie gemeinsam mit Ketan Bhatti und Philip Geisler das Orchester Diwan der Kontinente, das dann zum Trickster Orchestra umbenannt werden sollte.
- „Mit einer großen Lust am Unbekannten“ vereine das Ensemble „europäische, west-, zentral- und ostasiatische Einflüsse mit Improvisation und Elektronik zu einer transtraditionellen Musik“, schreibt die BASF, bei der das Kollektiv zu einer einwöchigen Residenz im Zug des Tor-4-Kulturförderprogramms eingeladen wurde.
In verschiedenen Formaten lotet das Kollektiv dabei in Ludwigshafen die Möglichkeiten des musikalischen Miteinanders aus: Am vergangenen Samstag stellte es zunächst beim ausverkauften „Absorption“-Matinee-Konzert im BASF-Gesellschaftshaus neben Repertoire-Stücken seines Debütalbums auch die Uraufführung einer Neukomposition vor.
Einen „Gedankengenerator zwischen Spoken Word und Musik mit dem Trickster Orchestra“ bildet am Donnerstag, 30. März, die experimentelle „Liminitage“-Podiumsdiskussion im BASF-Feierabendhaus; im direkten Anschluss spielt Samawaties – eigens zu diesem Anlass neu belebtes – Quartett Cyminology seine Synthese aus persischer Lyrik und kammermusikalischem Jazz (dazu ist der Eintritt frei, um Anmeldung wird gebeten). Ihr bis dato letztes Konzert hatte die vierköpfie Formation 2019 beim Bundespräsidenten auf Schloss Bellvue gegeben.
Außerdem haben die Musikschaffenden auch die Schwesterstadt Mannheim besucht: Dort standen etwa ein Workshop zu „trans-traditioneller Musik“ mit Weltmusik-Studierenden der Popakademie sowie ein vom Kunsthaus Zeitraumexit im Theaterhaus G7 ausgerichtetes Improvisationskonzert von Samawatie und drei weiteren Mitgliedern des Trickster Orchestra (als: Microtrick Kollektiv) mit Schlagzeuger Erwin Ditzner und Gitarrist Simon Seeleuther auf dem Programm.
Als Tochter iranischer Einwanderer wurde Cymin Samawatie 1976 in Braunschweig geboren. Sie studierte klassische Musik (mit Schlagwerk, Klavier und Gesang) in Hannover, schloss daran ein Jazzstudium (mit Gesang, Klavier und Komposition) in Berlin an. 2002 gründete sie zusammen mit Pianist und Komponist Benedikt Jahnel – zunächst als Duo – das Ensemble Cyminology, ein Jahr später wurde es zum Quartett.
Seit 2010 arbeitet Samawatie in unterschiedlichen Projekten mit Musikern der Berliner Philharmoniker zusammen, 2013 gründete sie dann das Trickster Orchestra. Ihre Projekte haben national wie international Beachtung gefunden, wurden unter anderem mit dem Deutschen Weltmusikpreis RUTH, dem creole Weltmusik Award und dem Jazz Blues Award ausgezeichnet. Vergangenes Jahr kam der Deutsche Jazzpreis für das Trickster Orchestra („Grosses Ensemble des Jahres 2022“) dazu.
Was ist es, was ihre musikalischen Projekte miteinander verbindet? „Eine Neugier, neue Wege auszuprobieren“, zu schauen, „was passiert mit mir als Künstlerin, was passiert mit dem Publikum und mit allen anderen Künstler*innen auf der Bühne?“, sagt Cymin Samawatie. „Es ist nie eine Einbahnstraße, wenn man sich begegnet. Beide gehen dann hoffentlich verändert nach Hause und haben etwas mitgenommen.“ Und, wer weiß: haben dabei vielleicht sogar ein neues Wir gefunden.
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