Ludwigshafen. Das Gewirr an Leitungen, Gleisen und Rohren im Untergrund ist so dicht, dass die Stadt einen ungewöhnlichen Weg beschreiten muss. Eine 1,70 Meter hohe Hauptabwasserleitung nördlich des Rathaus-Centers blockiert die geplante Trasse der neuen Stadtstraße, die die Hochstraße Nord ersetzt. Sie muss auf einer Länge von 430 Metern verlegt werden – und verläuft künftig teilweise in einem stillgelegten Straßenbahntunnel. Dieser wird nach der Einstellung der Linie 12 vor zehn Jahren nicht mehr genutzt. „Das Kanalbauprojekt ist das größte seit mindestens 25 Jahren“, verdeutlicht Martin Kallweit, Leiter des Bereichs Stadtentwässerung und Straßenunterhalt, im gestrigen „MM“-Gespräch die Dimension. 17,7 Millionen Euro kostet die Verlegung. Anfang nächsten Jahres soll sie beginnen.
Das Projekt
- Der neue Kanal bis zum Pumpenwerk am Unteren Rheinufer ist insgesamt 430 Meter lang. Davon entfallen 170 Meter auf den stillgelegten Straßenbahntunnel.
- Die nicht mehr genutzte Bahnverbindung ist 1,5 Kilometer lang.
- Vor einer Neunutzung des Tunnels entfernt die Rhein-Neckar-Verkehr GmbH (RNV) Gleise, Signaltechnik und Oberleitungen.
- Der Stadtrat billigte das Vorhaben im Dezember einstimmig.
- Am Ludwigsplatz muss zudem ein 60 Meter langer Abwasserkanal umgelegt werden.
„Wir haben lange darüber gegrübelt, wie die Kanaltrasse am besten den Nordbrückenkopf zwischen Rathaus-Center und Schumacher-Brücke kreuzen kann“, sagt Kallweit. Drei Jahre lang wurden Alternativen erörtert. Zumal auch die künftigen unterirdischen Streckenführungen der Linien 6 und 7 sowie das unlängst elektrifizierte Gleis zum BASF-Werksgelände dem Hauptwasserkanal im Weg standen.
Eine Variante, die Hindernisse mit sogenannten Dükern zu umgehen, wurde letztlich verworfen. Bei dieser U-förmigen Umleitung hätten die Rohre 15 bis 20 Meter tief in das nicht homogene Erdreich getrieben werden müssen. „Gegen diese Variante sprachen nicht nur schlechte Bodenverhältnisse, sondern auch Probleme mit Ablagerungen, Geruchsbelästigungen und hohe Reinigungskosten“, berichtet Kallweit.
Betonpfähle bis 17 Meter tief
Deshalb entschieden sich die Planer dafür, eine 170 Meter lange Strecke des Straßenbahntunnels zu nutzen. In dem Abschnitt nördlich des Getreidespeichers an der Rheinuferstraße verlegt die Stadt zwei Rohre mit einem Durchmesser von einem Meter. Ob und wie der 1976 gebaute Tunnel wegen höherer Tragelasten verstärkt werden muss, werde demnächst geklärt, sagt der Bereichsleiter. Nach seinen Angaben nutzt die Verwaltung erstmals einen Tunnel für eine Infrastrukturmaßnahme.
Bei der weiteren Strecke bis zum Pumpwerk am Unteren Rheinufer verlegt sie Abwasserrohre mit einem Durchmesser von 1,60 Metern. „Diese haben etwas mehr Volumen als der bisherige Kanal“, ergänzt Abteilungsleiterin Heike Kamenz. Dabei setzt die Stadt auf eine konventionelle Methode – den Rohrvortrieb. Kallweit: „Dieses Verfahren haben wir häufiger angewendet, zuletzt in der Lagerhausstraße.“
Unter technischen Gesichtspunkten bleibt das Gesamtprojekt nach seiner Ansicht aber eine Herausforderung. Denn für die Baugruben müssen Betonpfähle bis in eine Tiefe von 17 Metern in dem Untergrund versenkt werden. Sie müssen so eng beieinander stehen, dass sie eine Wand bilden. „Spundwände scheiden dafür aus, weil sie nicht lang genug sind“, ergänzt Kamenz.
Nicht einfach sind auch die Übergänge von den Tunnelbereichen zu den normalen Abschnitten. Kleinere Bodensetzungen seien trotz Untersuchungen nicht ganz auszuschließen. Daher werden gelenkige Spezialkonstruktionen eingebaut.
Trotz der enormen Kosten hatte der Stadtrat das Vorhaben im Dezember ohne längere Debatte gebilligt. Nach der Grundsatzentscheidung lässt die Verwaltung jetzt die Detailplanung erarbeiten und bereitet die Ausschreibung vor. Die Verlegung des Kanals soll etwa 18 Monate dauern. Parallel dazu läuft ein kleinerer Kanalneubau nördlich des Ludwigsplatzes, so Kamenz.
„Wir wollen auf jeden Fall fertig sein, wenn 2023 der eigentliche Abriss der Hochstraße beginnt.“ Dies scheint realistisch, zumal der Baubeginn bei der Hochstraße etwas fraglich ist. Denn unklar ist, wann das Planfeststellungsverfahren endet. Überraschungen sind dabei nicht auszuschließen. Gleiches gilt für die folgende Phase: Das Großprojekt (jüngste Kostenprognose: 529 Millionen Euro) muss noch ausgeschrieben werden.