MorgenJazz - The Dynamite Daze und Tommie Harris begeistern mit rustikalem Bluesrock auf dem Lampertheimer Schillerplatz

Wo Schwermütige leicht und Gutgelaunte glücklich werden

Von 
Uwe Rauschelbach
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Er hat den Blues im Blut: Didi Dynamite ist mit Stimme und Mundharmonika der Kopf von The Dynamite Daze.

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Lampertheim. Im alltäglichen Leben ist Didi Metzger ein Mensch wie du und ich. Doch wenn er auf der Bühne steht, dann schraubt er seine Stimme mindestens um eine Quint tiefer und presst die Töne durch die Kehle, als wäre sie von Whiskey, Zigaretten und langen Nächten gegerbt. Zusammen mit seiner Band The Dynamite Daze hat Dirty Didi gestern den Lampertheimer Schillerplatz gerockt.

Da es keinen Wettergott gibt, bei dem man sich bedanken könnte, adressieren der "Südhessen Morgen" als Konzertveranstalter und die Sparkasse als Unterstützerin ihre Dankbarkeit notgedrungen an Mutter Natur. Denn das Wetter hielt - allen Vorhersagen und vorüberziehenden Quellwolken zum Trotz. Zwischendurch konnte man um die 500 Menschen zählen, die sich von der Musik der Dynamite Daze cool und gelassen in den Sonntag chauffieren ließen.

Die deutsch-italienisch-schottische Band produziert einen leibhaftigen, schnörkellosen und unkomplizierten Bluesrock, als wäre ihr der Vierertakt an der Wiege geklopft worden. Colin Jamieson spielt ein kompromissloses, direkt ins Mark zielende Schlagzeug. Gitarrist Martin Czemmel steuert trotz seines soignierten Habitus die charakteristischen "dreckigen" Riffs bei und Andrea Tognoli zupft aus seinen vier Saiten einen so fetten, bauchigen Bass, dass sich der Körper gegen alle Hemmungen von selbst in Bewegung setzt. Und wenn's auch bloß ein kontrolliertes Fußwippen ist.

Eine rustikale Huldigung an den Blues. Ein Konzert für alle Sinne. Der mögliche Titel frei nach Beckett: Das Warten auf den vierten Akkord. Denn in der Tat braucht es zum Leben nur drei Dinge: Tonika, Subdominante, Dominante. Und das Ganze wieder von vorn.

Bühne vorgeheizt

Mit seiner Bluesröhre und seiner Mundharmonika ist es aber vor allem Didi Dynamite, der die Bühne vorheizt für den, der da kommen soll: Tommie Harris. Tommie Harris: "The one and only". Das ist er - wenigstens an diesem Vormittag. Der aus Alabama stammende Sänger hat sich zur Feier des Sonntags eine Krawatte umgebunden und ein weiß-blaues Jackett angelegt. Während Didi Dynamite den verschwitzten Bluesrocker verkörpert, der nach einer langen Fahrt über die amerikanischen Highways endlich am Tresen irgend einer versifften Kaktusbar steht, ist Tommie Harris der Gentleman des Blues. Der 75-Jährige adelt ihn mit einer weichen, aber im Kern gestählten Stimme, die den Klassikern des Blues alle Ehre macht. Denn um die dreht sich bei The Dynamite Daze alles. Keine Frage: Der Blues ist eine existenzielle Angelegenheit und man versteht ihn in Alabama wie in Lampertheim. Der besondere Reiz liegt wohl auch in seiner Verlässlichkeit - der Wiederholung des Immergleichen: Vier Schläge pro Takt, drei Akkorde - auf dieser stabilen Statik ruht die ganze Welt. Noch dazu demonstrieren The Dynamite Daze die uralte Wahrheit des Blues: Er macht Schwermütige leicht und Gutgelaunte noch glücklicher. Er ist das Rezept für jede Lebenslage.

Tango mit dem Teufel

Auf der Bühne, da tanzen sie mit dem Teufel Tango. Und auf dem Schillerplatz kriegen ältere Herren, denen wir alles andere als das zugetraut hätten, ihre Füße und Beine nicht mehr unter Kontrolle. Sie legen discoreife Figuren aufs Pflaster und betanzen vorzugsweise ältere Platzschönheiten, mit und ohne Stützstrumpf. Diese unverschnörkelte Musik ist der ideale Soundtrack für staubige Roadmovies wie für öde Innenstadtflächen.

An den Biertischen jedenfalls wird der Bluesrock der musikalischen Dynamitstangen mit großem Jubel goutiert. Und obwohl The Dynamite Daze am Ende noch einen Boogie Woogie aufs Parkett legen, der unvermeidlich zu kollektiver Kurzatmigkeit führt, hat das Publikum noch lange nicht genug. Tommie Harris und seine Begleiter müssen noch mal ran. Sie tun das gerne. Denn sie haben eine Botschaft. Ihr Credo für ein entschleunigtes Leben lautet: Back to the Roots. Und ihre Ethik lässt sich in zwei Worte fassen: Be simple.

Vielleicht ist das Leben, verdichtet auf drei Akkorde, ja doch nicht so kompliziert wie man immer dachte. Der Blues von The Dynamite Daze im Ohr, beginnt auch der unverbesserlichste Grübler auf einmal, an sich zu glauben. Drei Akkorde - das kriegt auch der unmusikalischste Freak auf seiner Klampfe zu Hause hin. Und wer weiß, vielleicht löst er dann ja auch noch ganz andere Probleme.

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