Lampertheim. Politiker verkaufen sich selbst und ihre Meinung. Jeder will derjenige sein, der das Beste für die Bürger herausholt. Alle schreiben sich die Erfolge zu, während die Fehlschläge immer auf die anderen geschoben werden. Substanzlose Schaufensteranträge werden öffentlichkeitswirksam diskutiert, während man wichtige Grundsatzentscheidungen alternativlos durchwinkt. Das frustriert viele Wähler.
Deshalb ist der Ruf nach mehr Bürgerbeteiligung laut. Dabei wird jedoch übersehen, dass das Parlament in einer Demokratie bereits die Beteiligung der Bürger ist. Politiker - gerade die Kommunalpolitiker - sind Bürger, die sich aufstellen lassen, um Bürgerinteressen gegenüber der Verwaltung zu vertreten und durchzusetzen. Das zeigt sich schon darin, dass in den Lampertheimer Bürgerkammern zu einem Großteil Politiker sitzen, die wegen des Wegfalls der Ortsbeiräte nicht mehr gewählt wurden und sich jetzt "Bürgervertreter" nennen.
Es ist wichtig, dass die Interessen der Bürger gegenüber der Verwaltung durchgesetzt werden. Die Stadtverordneten haben hierfür die Entscheidungsmacht. Die Informations- und Handlungsmacht liegt jedoch bei der Verwaltung und so ergeben sich regelmäßig Konflikte zwischen Verwaltung und Bürgervertretern. Man kann sich als Politiker ein leichtes Leben machen und einfach alles abnicken, was einem von der Verwaltung erzählt wird, um sich dann mit Symbolpolitik und Showanträgen zu profilieren.
Man kann aber auch - und das kostet eben Arbeit - die Aussagen der Verwaltung in Zweifel ziehen und Alternativen aufzeigen. Dabei sollte es eigentlich Aufgabe der Verwaltung sein, sich diese Arbeit zu machen und der Politik verschiedene Alternativen vorzustellen, so dass diese sich dann für den gewünschten Weg entscheiden kann. Tatsächlich wird der Weg jedoch bereits mit einer Vorauswahl der "einzigen Alternative" vorgegeben, die von den Politikern nur noch durchgewunken werden muss. Kritik wird häufig als "Unverschämtheit" oder "Frechheit" bezeichnet. Zumindest solange, bis man möglichst abseits der Öffentlichkeit eingestehen muss, dass diese Kritik wohl doch nicht so unberechtigt war.
Im Parlament kann der Einzelne viel bewirken, sofern er sich traut, aufzustehen und zu widersprechen. Deshalb braucht es mutige Bürgerinnen und Bürger, die in die Politik gehen, um wirklich etwas zu verändern und nicht nur, um eine Politikshow abzuziehen.
Ich war schon etwas entsetzt, als ich vor zehn Jahren in die Kommunalpolitik in Lampertheim eingestiegen bin. Auf meinen Hinweis, dass es laut Hessischer Gemeindeordnung (HGO) unzulässig ist, Ausschusssitzungen von vornherein für nicht-öffentlich zu erklären, kam von der Verwaltungsseite nur die Aussage: "Das haben wir schon immer so gemacht." Anfragen der Politiker wurden nicht beantwortet. Beschlüsse wurden nicht umgesetzt. Wenn so mit den Politikern umgegangen wird, muss man sich die Frage stellen, wie dann erst mit Bürgeranliegen umgegangen wird.
Inzwischen hat sich schon vieles verändert. Wenn es um die Rechte des Parlamentes geht, müssen alle Parteien an einem Strang ziehen. Wenn man auch in vielen Dingen unterschiedlicher Auffassung ist, so sollte man sich einig darüber sein, dass wir keine gelenkte Demokratie in Lampertheim wollen.
Die Interessen sind vielfältig
Wenn in der Politik von Bürgerinteressen gesprochen wird, klingt das immer, als seien die Bürger eine homogene Masse, die alle das Gleiche wollen. Tatsächlich sind die Interessen vielfältig und man kann es nie allen Recht machen. Politik funktioniert häufig so, dass man bestimmten Interessensgruppen Wahlgeschenke macht, die dann von der Allgemeinheit bezahlt werden. Diejenigen, die sich bei der Politik am lautesten beklagen, bekommen das, was sie wollen und die anderen müssen es bezahlen. Damit kann man sich bei der beschenkten Gruppe für die nächste Wahl beliebt machen, während die Mehrheit die Entscheidung nicht mit dem eigenen Geldbeutel in Verbindung bringt, da sie ihre Steuern ohnehin zahlen müssen. Damit gibt es eine Art Automatismus in der Politik, der immer zu Lasten der Allgemeinheit geht, denn wer das Spiel umdrehen möchte, muss sich bei der Gruppe, der er etwas wegnehmen möchte, unbeliebt machen, ohne dass die Allgemeinheit einen unmittelbaren Nutzen spürt. Deshalb brauchen wir eine Lobby der Allgemeinheit, die eine genaue Abwägung fordert, von wem zu wem man umverteilt.
Wenn über die ständigen Grundsteuererhöhungen auch arme Mieter belastet werden, um mit dem Geld Leute zu unterstützen, die es sich leisten können, ökologische Häuser zu bauen, muss selbst ich als Grüner das für sozial fragwürdig halten. Es freut mich, immer wieder positive Rückmeldung von Wählern zu bekommen. Wenn Sie ein Anliegen haben, wenden Sie sich an die Partei Ihres Vertrauens. Es gibt in allen Parteien engagierte Frauen und Männer, die Ihr Anliegen gerne vorbringen. Ich würde mir wünschen, dass mehr Bürgerinnen und Bürger die Möglichkeit nutzen würden, die öffentlichen Sitzungen der Ausschüsse und Stadtverordnetenversammlungen zu besuchen. Machen Sie sich ein reales Bild von den Personen, die Ihre Interessen vertreten.
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