Lampertheim. Volker Harres kennt den Stadtwald wie seine Westentasche. Im Gespräch schildert er die bestehenden Herausforderungen.
Herr Harres, Sie haben im Laufe der Jahre erlebt, wie die Pflanzenwelt zunehmend unter Umwelteinflüssen leidet. Mit welchem Gefühl blicken Sie zurück?
Volker Harres: Ich durfte 31 Jahre hier und insgesamt 45 Jahre im Forstdienst tätig sein. Schon mein Urgroßvater, mein Großvater und mein Vater waren Förster. Leider ist der Zustand unseres Waldes nicht gut. Allerdings sind die Probleme, die heute der Klimawandel in Wäldern verursacht, schon lange Thema in Lampertheim. Wir mussten schon früh mit Grundwasserabsenkungen ebenso kämpfen wie mit Schädlingen, etwa mit Maikäfern und Borkenkäfern. Auch mit Pilzerkrankungen, Trockenstress, Sturmschäden und invasiven Arten hatten wir früh zu tun. Durch all das wird das Kleinklima der Bestände gestört, es kommt zur Destabilisierung der Bäume, die Erwärmung nimmt zu und damit die Probleme.
Was ist mit der Wiederbewaldung?
Harres: Die geschilderten Probleme erschweren die Verjüngung des Waldes. In einem ökologischen System hängt alles mit allem zusammen. Daher habe ich als Förster wiederholt erleben müssen, wie die sicher geglaubte Verjüngung von Waldgebieten scheiterte. Die nötigen Bedingungen hatten sich aus bereits genannten Gründen nicht eingestellt.
Die Verjüngung des Stadtwalds ist nur ein frommer Wunsch?
Harres: Das sage ich nicht. Aber es gibt Herausforderungen, die wir dringend angehen müssen. So sollten wir Bäume nach der Wiederaufforstung vor Verbiss durch Rehwild schützen. Der Sturm Wiebke hat 1990 die Bestände im Wald gelichtet. Das kommt noch heute dem anpassungsfähigen Rehwild entgegen.
Sollte man deswegen die Abschussquote von Rehen erhöhen?
Harres: Ja. Wir wollen einen klimastabilen Wald, der uns zur Erholung dient. Um junge Laubbäume zu schützen und den Wald zu stärken, müsste der Abschuss von Wild sogar um ein Vielfaches erhöht werden. Das ist aus verschiedenen Gründen schwierig und dürfte noch für lebhafte Diskussionen sorgen.
Wie bewerten Sie von dem Vorschlag, große Flächen stillzulegen?
Harres: Ich halte nichts davon. Gerade in einem kranken und sterbenden Wald helfen solche Szenarien wenig. Im Gegenteil, sie gefährden sogar den Fortbestand und die Funktionen eines Waldes. Vor allem die Schutzfunktion fällt in solchen Gebieten aus.
Sie beenden also Ihre Aufgabe, doch es bleibt das Gefühl, dass noch viele Aufgaben zu lösen sind?
Harres: Ja. Die Pflege von Wäldern ist eine langfristige Angelegenheit. Wie Lösungen am Ende tatsächlich aussehen, ob und wie der Wald überleben wird – diese Fragen sind schwierig zu beantworten. Uns bleibt nur, nach bestem fachlichen Wissen und Gewissen alles zu tun, um möglichst viele und sich selbst verjüngende Baumarten einzubringen. Wir stecken mitten in einem Großversuch, dessen Ergebnis wir selbst nicht mehr erleben. Auch unsere Vorfahren wussten nicht, dass die Fichte, die einst zur Überwindung der Holznot gepflanzt wurde, eines Tages der von uns verursachten Klimaerwärmung zum Opfer fällt.
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