Lampertheim. Trump, Krieg in der Ukraine und Europas gefährdete Sicherheit – nicht erst seit der Bundestagswahl vor knapp zwei Wochen überschlagen sich die Ereignisse weltweit. Dass mit der AfD am 23. Februar erstmals eine extrem rechte Partei beinahe 21 Prozent Zustimmung bei einer Bundestagswahl erhalten hat, rückt in diesen Tagen scheinbar in den Hintergrund.
Dabei fragen sich zahlreiche Menschen, mit welcher Strategie die Parteien der demokratischen Mitte und die Zivilgesellschaft mit dem Höhenflug der umstrittenen Partei umgehen soll, beziehungsweise mit deren Wählern. Positionen gegen die offene Gesellschaft und die liberale Demokratie seien unter ihnen „sehr weit verbreitet“, wie es etwa der bekannte Soziologe Wilhelm Heitmeyer ausdrückt. „In Lampertheim lag die Partei mit 23,5 Prozent der abgegebenen Zweitstimmen über dem Bundesdurchschnitt“, sagt dazu etwa Marius Gunkel, der Vorsitzender beim Ortsverband des Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) in Lampertheim und Bürstadt ist.
Alarmiert über hohen Anteil der AfD-Wähler
Schon bei der Landtagswahl in Hessen 2023 habe die Partei sogar mehr als 24 Prozent der Zweitstimmen erhalten. Damit lag die Zustimmung deutlich über dem hessenweiten Ergebnis von 18,4 Prozent. Das werfe Fragen auf. „Immerhin wird die AfD im Bund vom Verfassungsschutz als rechtsextremistischer Verdachtsfall beobachtet“, fügt der Gewerkschafter hinzu. In den Bundesländern Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen wird die Partei vom jeweiligen Verfassungsschutz als gesichert rechtsextrem bewertet.
Wie Gunkel, so zeigen sich auch Oliver Schmitt und Norbert Fuchs alarmiert über die Zugewinne der AfD bei der jüngsten Bundestageswahl. Die drei Männer sind sich darin einig, stärker als noch vor einigen Jahren müsse heute für die Demokratie geworben werden, müsse man vor dem Aufstieg politischer Extremisten warnen.
Daher engagieren sie sich bei dem Projekt „Partnerschaft für Demokratie“, das vom Bund gefördert wird, und im Kreis Bergstraße bisher ausschließlich in Lampertheim genutzt wird. Das Projekt ist auf kommunaler Ebene Teil des Bundesprogramms „Demokratie leben!“. „Über die Partnerschaften für Demokratie sollen zivilgesellschaftlich und demokratisch aktive Menschen und Organisationen, die sich in ihrem kommunalen Umfeld für die Demokratie engagieren, gestärkt und vernetzt werden“, heißt es vom Bundesfamilienministerium, unter dessen Ägide das Programm organisiert wird.
Kommen solche Projekte überhaupt bei den Leuten an?
Dementsprechend wurden in den vergangenen Jahre unterschiedliche Projekte in Lampertheim, etwa mehrere Demokratiekonferenzen, Theaterstücke und Workshops, die der politischen Kultur und dem friedlichen Zusammenleben dienen sollen. Blickt man auf die jüngsten Wahlergebnisse, ist der Erfolg solcher Angebote ernüchternd. „Viele Angebote haben zwar einen guten Ansatz, aber am Ende eines Workshops oder einer Demokratiekonferenz gehen die Menschen auseinander und man fragt sich, wie nachhaltig das Angebot war“, sagt Marius Gunkel.
Menschen zu erreichen, die sich im Alltag nicht repräsentiert fühlen, das bleibe eine große Herausforderung. „Es ist schwierig zu messen, ob solche Projekte überhaupt bei den Leuten ankommen“, sagt Oliver Schmitt. Zumal sich bei solchen Veranstaltungen ohnehin Menschen die Klinke in die Hand geben, die ohnehin für das Thema sensibilisiert sind. Oftmals kommen Kommunalpolitiker oder anderweitig engagierte Bürger.
Partnerschaft für Demokratie
- Seit einigen Jahren lassen sich Entwicklungen beobachten, die die Demokratie auf lange Sicht bedrohen können. Dazu gehört etwa der Aufstieg populistischer Parteien. Aber es gibt auch positive Entwicklungen, die zeigen, dass den meisten Menschen die Demokratie wichtig ist und sie sich nach wie vor am politischen Prozess beteiligen und für die Demokratie engagieren.
- Die Partnerschaft für Demokratie will etwa dazu beitragen, dass sich demokratische Bündnisse bilden. Die demokratischen Akteure in den Kommunen sollen „Handlungssicherheit mit lokalen Herausforderungen, etwa im Umgang mit rechtspopulistischen und rechtsextremen Akteurinnen und Akteuren“ erhalten.
- Indes wendet sich das Projekt ausdrücklich nicht gegen einzelne Parteien. Daher wurde in Lampertheim eine Kundgebung gegen rechtsextreme Tendenzen der AfD stattdessen vom Bündnis für Demokratie organisiert. Anders als die Partnerschaft für Demokratie wird die Gruppe finanziell nicht gefördert. wol
„Die Leute, die man eigentlich auch ansprechen will, besuchen solche Veranstaltungen eigentlich nicht“, gibt Norbert Fuchs zu bedenken. Tatsächlich war das im vergangenen Frühjahr gut zu beobachten. Um 75 Jahre Grundgesetz zu würdigen, hatten die Partnerschaft für Demokratie und die Stadt Lampertheim zu einem Gartengespräch geladen. Man wollten mit Bürgern ins Gespräch kommen - doch es kamen gerade einmal zwei Besucher.
„Lieder mit Haltung“ kamen gut an
„Hinzu kommt, dass wir bei solchen Veranstaltungen oftmals darauf setzen, dass politische Entscheidungen vor einem rationalen Hintergrund getroffen werden“, sagt Oliver Schmitt. Dass Vernunft eine Wahlentscheidung maßgeblich entscheide, das sei zwar grundsätzlich eine naheliegende Annahme. „Aber Ende muss Politik auch die Herzen der Menschen erreichen“, ergänzt Marius Gunkel. Dazu gebe es durchaus positive Beispiele. So habe man es etwa mit dem Theaterstück „Animal Farm“ nach der Vorlage des britischen Autors George Orwell im vergangenen Jahr geschafft, Menschen zu begeistern. Der Klassiker der politischen Literatur und der Gesellschaftskritik habe im Lampertheimer Schwanensaal für Empathie gesorgt und Spannung erzeugt.
Ebenfalls erfolgreich war nach Angaben von Norbert Fuchs der Abend „Lieder mit Haltung“, den vor anderthalb Jahren immerhin 190 Besucher im Schwanensaal besuchten. Die Demokratie wurde damals als zentrales Thema in 21 Songs aus unterschiedlichen Blickwinkeln beleuchtet. Von Bob Dylans „Blowing in the Wind“ bis Elvis Presleys „In the Ghetto“ reichte das Spektrum Songs, die Mitglieder der Musiker-Initiative Lampertheim (MIL) interpretierten. „Das war ein Erfolg, auch weil Musik die Menschen unmittelbar berührt und Gefühle auf besondere Weise ausdrückt“, sagt Fuchs.
Was aber bedeutet das für die Zukunft des Projekts Partnerschaft für Demokratie? Gefühliger werden, unbequeme politische Themen meiden? Das nicht unbedingt. Aber womöglich unkonventioneller auf die Menschen zugehen, darin sind sich die drei Männer einig. Sich wegzuducken, das sei keine Option. Im Gegenteil denke man über verschiedene Formate nach, wichtig sei zunächst, dass das Projekt weitergeführt wird. Nach vier Jahren steht aktuell die Verlängerung der Partnerschaft für Demokratie an.
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