Nach der Landtagswahl herrscht Katerstimmung in der Stadt. Dass die AfD in Lampertheim mit 24,6 Prozentpunkten deutlich über dem hessenweiten Ergebnis von 18,4 Prozent liegt, ist nach Ansicht von Bürgermeister Gottfried Störmer (parteilos) „keine gute Entwicklung“. Gleichwohl sieht er das Wahlergebnis nicht als Misstrauensvotum, das sich speziell gegen Lampertheims Kommunalpolitik oder gar gegen die Stadtverwaltung richtet. „Es spricht viel dafür, dass ein großer Teil der Wähler, sowohl der Bundes- als auch der Landespolitik einen Denkzettel verpassen wollten“, sagt Störmer.
Vor allem die Unzufriedenheit der Bürger mit der Ampelkoalition im Bund habe zum guten Abschneiden der in Teilen extremistischen AfD verursacht. Dazu passe, dass ausgerechnet SPD, Grüne und FDP als Vertreter der Ampelkoalition schmerzhafte Verluste insgesamt hinnehmen mussten. Außerdem hätten auch in anderen Riedkommunen überdurchschnittlich viele Wähler für die AfD gestimmt.
Doch auch der Rathauschef stochert im Nebel. Denn der Blick auf Stadtteile, in denen die AfD besonders gut abgeschnitten hat, gibt nur begrenzte Auskunft zum Wahlverhalten. Zwar passt zu seiner Theorie, dass etwa im Wahlbezirk Kita Guldenweg 35 Prozent der Wähler die AfD gewählt haben, um die Bundesregierung abzustrafen. Viele Wohnungen sind renovierungsbedürftig, die Einkommen vieler Anwohner könnten höher sein.
Thema Wohnen sorgt für Unmut
„Und hier spielen auch Ängste wegen hoher Kosten durch das Heizungsgesetz oder aufgrund anstehender energetischer Sanierungen eine Rolle“, sagt der Bürgermeister. Dazu passe, dass etwa die Grünen im gleichen Wahlbezirk lediglich etwa 9,8 Prozent der Zweitstimmen erhalten haben. „Die Grünen werden dafür verantwortlich gemacht, auch wenn die Gesetze dem notwendigen Schutz des Klimas dienen sollen“, ist Störmer überzeugt.
Auch im Wahlbezirk Kita St. Michael in Hofheim dürfte das Thema Wohnen eine Rolle gespielt haben. Hier erreichte die AfD etwa 31 Prozent der Zweitstimmen, die Grünen landeten bei knapp 9 Prozent. Der Rathauschef sieht einen Zusammenhang mit den Plänen der Stadt Lampertheim, einige ihrer sanierungsbedürftigen Wohnhäuser zu verkaufen. In Hofheim hatten Bewohner im Sommer die Vertreter von CDU, SPD, Grünen und FDP mit ihrem Unmut konfrontiert. Vor allem die Angst, keine neue Wohnung zu finden, wurde dabei deutlich. Für Frust sorgte zudem die - aus Sicht der betroffenen Menschen - holprige Kommunikation der Stadt. „Das haben wir verbessert. Aber natürlich bleibt eine gewisse Unzufriedenheit“, räumt Störmer ein.
Auch dass im relativ wohlhabenden Neuschloß ausgerechnet die AfD einen Rekordwert in der Stadt verzeichnet, lässt Rückschlüsse auf Unzufriedenheit zu, die auf kommunaler Ebene ihren Ursprung haben. Im Wahlbezirk „Kinderkrippe Zauberwald“ erhielten die Rechtspopulisten von der AfD beinahe 37,4 Prozent der Zweitstimmen. Störmer hat indes auch eine „gewisse Vollkaskomentalität“ ausgemacht. Es wirke, als könne die Stadt aus Sicht mancher Bürger nichts mehr richtig machen. „Selbst wenn wir versuchen, in Notlagen zu helfen, haben wir es gelegentlich mit einem Anspruchsdenken zu tun, das wir schlicht nicht bedienen können.“
Erster Stadtrat Marius Schmidt (SPD) sieht nach der Wahl sowohl die Verwaltung als auch die Lampertheimer Politik gefordert. Wie er sagt, spricht er nicht für seine Partei, sondern als Vertreter der Stadtverwaltung, wenn er auf die Aufgabenlast hinweist, die immer weniger Gestaltungsspielraum lasse. „Es ist leider so, dass bei Bürgern ein Vertrauensverlust zu Tage tritt, wenn Dinge nicht mehr so funktionieren, wie sie sollten“, sagt Schmidt. Da helfe auch ein ambitioniertes Projekt wie etwa das Lampertheimer Bündnis für Demokratie kaum weiter.
Kommunen unter Druck
Dass sich Städte und Gemeinden einerseits um ihre klassischen Aufgaben kümmern müssen, zunehmend aber auch Herausforderungen wie beispielsweise die kommunale Wärmeplanung oder die Energiewende mitorganisieren sollen, sorge zwangsläufig für personelle Engpässe und Überforderung. „Insofern wäre es gut, wenn die Bundes- und Landespolitik erkennen würde, dass viele Kommunen am Anschlag sind. Das wiederum führt dazu, dass Aufgaben liegen bleiben. Auch wenn es gute Gründe für die Überforderung geben mag: Die Menschen erlebten den Frust in der Kommune. Aber nicht nur, so Schmidt. Daher wäre es auch gut, dass die Stadt aufzeige, was gut läuft. „Da müssen wir besser werden und mehr erklären.“
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