Tierseuche

Vogelgrippe: Wie groß ist die Gefahr für Mensch und Tier?

Peter Petermann, Mitglied der Hessischen Gesellschaft für Ornithologie und Naturschutz (HGON), erklärt, welche Entwicklung für den Kreis Bergstraße droht.

Von 
Stephen Wolf
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Ein Helfer sammelt einen toten Kranich auf und wirft ihn in eine Traktorschaufel. Die auch als Vogelgrippe bezeichnete Geflügelpest hat sich mittlerweile fast über ganz Deutschland ausgebreitet. © picture alliance/dpa

Lampertheim.

Welche Gefahr bringt die Vogelgrippe für den Kreis Bergstraße?

Die Situation ist ernst und stellt auch den Kreis Bergstraße vor Herausforderungen. Während es in den vergangenen Monaten immer wieder Ausbrüche in Geflügelhaltungen in Niedersachsen, Bayern und anderen Bundesländern gab, blieb Hessen bislang weitgehend verschont. Auch der jüngste Fall im nahen Ludwigshafen war kein eigentlicher Vogelgrippe-Ausbruch, sondern ein niedrig-pathogenes Virus mit meist schwachen Symptomen.

Was ist diesmal anders als in den Vorjahren?

Erstmals hat die Geflügelpest in großem Stil Zugvögel getroffen, insbesondere Kraniche, die aktuell auf ihrem Herbstzug aus Nordostdeutschland in Richtung Südwesten unterwegs sind. Der Ausbruch begann Anfang Oktober an bekannten Sammelplätzen wie Rügen oder in Brandenburg – just zu dem Zeitpunkt, als die ersten Massenflüge starteten. Viele Kraniche haben sich offenbar kurz vor oder während der Rast angesteckt und das Virus auf ihrer weiteren Reise, teils noch symptomlos, teils schon erkrankt, weitergetragen. Sogar in Spanien wurden infizierte Tiere nachgewiesen. Das zeigt die große Widerstandskraft dieser Vögel.

Vogelgrippe

  • Die Vogelgrippe (Geflügelpest) ist eine hochansteckende, meist tödlich verlaufende Tierseuche, derzeit vor allem durch den Erreger H5N1.
  • Das Veterinäramt im Kreis Bergstraße weist darauf hin: Alle Geflügelhalter – auch Hobbyhalter – müssen ihre Tiere umgehend melden. Bei Krankheitsfällen oder ungeklärten Todesfällen ist sofort das Veterinäramt zu informieren.

Mit welcher Entwicklung ist zu rechnen?

Besonders entlang der betroffenen Zugroute werden mittlerweile zahlreiche tote oder kranke Kraniche gefunden. Auch andere Vogelarten, die mit ihnen in Kontakt kamen, haben sich angesteckt. So etwas hat es bisher nicht gegeben, weshalb die weitere Entwicklung schwer vorherzusagen ist. Der Kreis Bergstraße liegt zwar etwas abseits der Hauptzugroute, aber auch hier wurden Kraniche beobachtet. Es ist also möglich, dass vereinzelt tote Vögel gefunden werden. Wir sind aber kein Zentrum der Geflügelhaltung, deshalb rechne ich mit wenigen Einzelfällen.

Wie sollten Bürgerinnen und Bürger reagieren, wenn sie tote Vögel finden?

Tote Wildvögel sollten keinesfalls berührt werden. Stattdessen sollte umgehend das Kreis-Veterinäramt informiert werden. Die Bergung und Entsorgung übernehmen geschulte Kräfte, oft die Feuerwehr, um eine Weiterverbreitung des Virus zu verhindern. Besonders wichtig ist das, weil sich andere Tiere – von Krähen bis hin zu Hauskatzen – an den Kadavern anstecken können. Für Menschen besteht durch das Virus jedoch keine Gefahr.

Gab es bereits ähnliche Situationen im Ausland?

Ja, im vergangenen Winter kam es in Ungarn und Israel an Kranich-Überwinterungsplätzen zu Massensterben, ebenfalls ausgelöst durch Geflügelpest in der Nähe von Geflügelbetrieben. Trotz Tausender toter Kraniche waren die Verluste nicht bestandsgefährdend, und die Ausbrüche waren vor dem Rückflug in die Brutgebiete beendet. Auch die Zahl anderer betroffener Wasservögel blieb relativ gering. Ich hoffe, dass wir im kommenden Frühjahr eine ähnlich glimpfliche Bilanz ziehen können.

Was kommt auf Geflügelhalter und Tierparks zu?

Geflügelhalter und Tierparks sollten aufmerksam bleiben und die Hinweise der Behörden beachten. Die hessische Landesregierung setzt aktuell auf Empfehlungen statt auf Zwang, was ich für besonnen halte. Nicht jedes Geflügel kann einfach in Ställe gebracht werden, aber Freiland-Bestände sollten jetzt besonders gut beobachtet werden. Auffangstationen sollten keine kranken Großvögel aufnehmen, da dies den gesamten Tierbestand gefährden kann.

In sozialen Medien wird über die Ursachen spekuliert. Was ist davon zu halten?

Es gibt die Hypothese, das Virus sei unter wildlebenden Enten und Gänsen weit verbreitet und die Kraniche nur „Opfer“ dieser Situation. Nach Angaben des Friedrich-Loeffler-Instituts gibt es für diese Theorie jedoch keinerlei Beweise. Ich halte es für bedenklich, wenn die aktuelle Lage für Panikmache genutzt wird. Die Vogelgrippe ist derzeit eine ernstzunehmende Bedrohung für Wildvögel. Für Menschen besteht jedoch keine Gefahr. Für Geflügelhalter und Naturfreunde heißt es, aufmerksam zu bleiben und tote Tiere zu melden. Wir hoffen auf einen glimpflichen Verlauf – und dass die Situation nicht außer Kontrolle gerät.

Redaktion

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