Sammler

Seine Welt ist eine Scheibe

Von 
Stephen Wolf
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Für Liebhaber sind Details auf Plattencovern ein Faszinosum. Hier studiert Alfred Malejka eine Ausgabe von „Sgt. Peppers Lonely Hearts Club Band“ der Beatles. © Stephen Wolf

Lampertheim. Manchmal erwachen vergessene Leidenschaften nach Jahren wieder. Der Lampertheimer Alfred Malejka hat das vor beinahe zehn Jahren beim Aufräumen seines Kellers erlebt. „Meine Frau fragte mich damals, ob wir die Platten aus meiner Studienzeit wegwerfen sollen“, erinnert sich der 66 Jahre alte Mann. Als er die Sammlung durchstöberte – damals habe sie noch in eine Kiste gepasst – sei plötzlich das alte Gefühl wieder entbrannt.

Heute besitzt der gebürtige Mannheimer etwa 1700 Vinylscheiben unterschiedlicher Genres. Um die Sammlung zu erweitern, erkundet der frühere IT-Ingenieur regelmäßig Plattenbörsen, Flohmärkte oder Anbieter im Internet.

Breit aufgestellt

Was seinen Musikgeschmack angeht, ist der sportlich wirkende Rentner breit aufgestellt. So lagern in seinen Regalen nicht nur Platten klassischer Pop- und Rockbands wie die der Beatles oder der Rolling Stones, sondern auch viele Scheiben aus den 1980er Jahren. „Mein großes Interesse gilt allerdings den deutschen Krautrockbands, die Anfang der 70er Jahre mit sämtlichen Konventionen der Rockmusik brachen“, schwärmt Malejka. Auch wenn Platten von Can, Faust oder Ash Ra Tempel vor allem experimentelle Klänge durch die großen Lautsprecher des Lampertheimers peitschen – der Sammler lässt sich gerne auch auf die Musik des verstorbenen britischen Sängers George Michael oder auf den Sound der Talking Heads ein.

„Etwa 90 Prozent meiner Platten kaufe ich gebraucht“, schätzt er. Dabei habe er schon etliche skurrile Momente erlebt. Eine Verkäuferin habe ihm das begehrte Vinyl sogar in einem Pizzakarton zugesendet, erzählt Malejka und lacht.

Aber warum sammelt er ausgerechnet Platten? Sperrig, oft teuer und empfindlicher als andere Tonträger, muss das zumeist schwarze Vinyl pfleglich behandelt werden. „Platten klingen auf einer guten Anlage besser als CDs“, sagt der Mann im karierten Hemd. Auch biete das alte Medium aufgrund seiner Größe oftmals eine besondere Covergestaltung und „Haptik“.

Trotz Streaming und CD werden Schallplatten in Deutschland immer öfter gekauft. Der Vinyl-Absatz kletterte 2020 von 3,4 auf 4,2 Millionen verkaufte Einheiten. Das war ein Plus von fast 22 Prozent, wie etwa der Bundesverband Musikindustrie im vergangenen Jahr mitteilte. Das seien doppelt so viele Schallplatten wie 2015 und sechs Mal so viele wie noch 2011 gewesen.

Malejkas liebster Tonträger? Er grübelt nur kurz: „Wahrscheinlich ist es eine Platte von Grand Funk Railroad, die mir meine Frau Martina zu Weihnachten 1972 samt Widmung geschenkt hat.“ Für das Paar, das seit beinahe 40 Jahren verheiratet und noch länger zusammen ist, waren gemeinsame Konzertbesuche stets besondere Erlebnisse, wie Martina Malejka sagt. Auch wenn sie selbst keine Plattensammlerin ist, es klingt unüberhörbare Freude an, wenn sie von Bob Marley oder Fleetwood Mac schwärmt, die sie bei ihren Auftritten gemeinsam mit ihrem Mann gesehen hat.

Der betreibt übrigens seit einigen Jahren auch die Internetseite Seite „www.good-vinyl.de“. Dabei lässt der Rentner kaum ein Thema aus, das Vinylliebhaber mit Leidenschaft diskutieren. Ob es um Ratschläge zur Pflege der Sammlerobjekte geht, ob Lautsprecher, Plattenspieler oder Tonabnehmer begutachtet werden – der Ingenieur im Ruhestand widmet sich den im Vinyl-Universum gängigen Fragen mit akribischer Sorgfalt und überrascht dabei mit originellen Ratschlägen. Beispielsweise empfiehlt er, wellig gewordene Schallplatten zwischen zwei Glasplatten zu legen, im Backofen langsam zu erhitzen und nach 45 bis 60 Minuten wieder abkühlen zu lassen. Zumeist helfe das.

Was Malejka besonders schätzt, sind Kontakte zu Plattensammlern rund um den Globus. Oftmals handle es sich dabei um deutsche Auswanderer, die in den USA oder in Australien leben. Manche wollen wissen, wie viel ihre Kollektion wert ist, andere suchen nach einer bestimmten Rarität und setzen auf eine Idee, erzählt der Lampertheimer.

Dass er sich in der Szene einen Namen gemacht hat, wurde Malejka im vergangenen Jahr nach der Flutkatastrophe im Ahrtal bewusst. Nachdem die Sammlung eines Plattenliebhabers bei dem Unglück zerstört wurde, hatte eine Versicherung um eine Kalkulation gebeten. „Ich habe mit Blick auf die Liste eine Einschätzung vorgenommen.“ Sozusagen ehrenamtlich, wie er hinzufügt.

Redaktion

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